Die vietnamesischen Behörden verstärken seit geraumer Zeit ihren repressiven Kurs gegen Religionsgemeinschaften im Land. Das Berufungsgericht von Ho Chi Minh Stadt (früher Saigon) hat jetzt die Haftstrafen gegen Pfarrer Nguyen Hong Quang (drei Jahre) und Vikar Pham Ngoc Thach (zwei Jahre) bestätigt. Der vietnamesische Pastor Quang hatte im März 2004 Anzeige gegen zwei Personen erstattet, die durch das Observieren sowie durch Misshandlungen und Entführung von Christen aufgefallen waren. Nach daraufhin einsetzendem tagelangem Terror durch die Behörden wurde Quang festgenommen und im November vergangenen Jahres wegen "Widerstandes gegen die Staatsgewalt" zu drei Jahren verurteilt. Der Vikar Thach erhielt im selben Prozess zwei Jahre Gefängnis. Die Lehrerin Le Thi Hong Lien war zu insgesamt zwölf Monaten Haft verurteilt worden.
Die in Frankfurt ansässige Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), die auf die Vorgänge aufmerksam gemacht hat, hält die aus religiösen Gründen inhaftierten Mennoniten für unschuldig. Die Organisation appellierte an die vietnamesische Regierung, die Geistlichen sofort und bedingungslos freizulassen.
Der Prozess gegen die Mennoniten stieß auf große Beachtung. Über 200 Gläubige waren dem Aufruf der Mennonitischen Kirche gefolgt und hatten sich zum Gebet vor dem Gerichtsgebäude in Ho Chi Minh Stadt eingefunden. Rund 100 christliche Montagnards, zahlreiche Pastoren der Evangelischen Vereinigung Vietnams und katholische Gläubige zeigten ihre Solidarität mit den Angeklagten. Den Eingang zum Gerichtsgebäude hatte ein massives Polizeiaufgebot völlig abgesperrt. Die Berufungsverhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Selbst die Ehefrau von Pastor Quang und der Vater des Vikars konnten erst nach energischer Intervention des Verteidigers Dai das Gericht betreten. Sowohl die Angeklagten wie auch die Angehörigen wurden zuvor nicht über den Prozesstermin informiert. Der Verteidiger erhielt erst eine Woche vor dem Termin seine Prozesszulassung. Einem zweiten Anwalt, der die Mennoniten in erster Instanz vertreten hatte, wurde indessen die Zulassung verweigert.
Nach Informationen der IGFM terrorisieren die vietnamesischen Behörden seit Wochen die Christen um Pastor Quang. Seine Frau wurde mehrmals zur Polizei zitiert. Ihr wurde das Ultimatum gestellt, spätestens bis zum Vortag des Prozesses das Mennoniten-Büro in ihrem Haus zu entfernen. Mehrere Pfarrer der Evangelischen Vereinigung Vietnams, eines Zusammenschlusses von rund 50 Hauskirchen, wurden vor dem Prozesstag mehrere Male aus fadenscheinigen Gründen zur Polizei vorgeladen. Die Hauskirchen sehen sich in den vergangenen Jahren zunehmender Verfolgung ausgesetzt. Sie widersetzen sich dem Anschluss an den amtlich registrierten "Bund der evangelischen Kirchen Vietnams" (Südvietnam) und wollen sich damit - aus amtlicher Sicht - der staatlichen Kontrolle und Beeinflussung entziehen.
Besonders übel ist dabei der Mennonitin Hong Lien mitgespielt worden. Sie soll sich nach Verbüßung eines Teils ihrer Haftstrafe in akuter Lebensgefahr befinden. Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in diesem Zusammenhang von ihrem Vater erfahren hat, soll die Lehrerin trotz ihres äußerst bedenklichen Zustandes vom Chi Hoa-Gefängnis in Ho Chi Minh Stadt in das weit entfernte Umerziehungslager Tong Le Chan verlegt worden sein. Wie der Vater berichtete, soll Hong Lien nach schweren Misshandlungen und Folterungen ihren Verstand verloren haben.
Die Menschenrechtsorganisation wiederholte inzwischen ihren dringenden Appell an die vietnamesische Regierung, Frau Lien aus humanitären Gründen und wegen nötiger medizinischer Behandlungen freizulassen. Die Vereinigten Staaten sollten die Freilassung der Lehrerin zu einer entscheidenden Bedingung für die Herausnahme Vietnams aus der Liste derjenigen Länder machen, die im Bereich der Religionsfreiheit zur besonderen Sorge Anlass geben ("Countries of particular concern").
Die 21-jährige Lehrerin Le Tho Hong Lien unterrichtete im früheren Saigon mittellose Kinder und Straßenkinder, die von den Mennoniten betreut werden. Aufgrund des von ihr organisierten Unterrichts in so genannten "Klassen der Liebe" wurde die Lehrerin mehrmals festgenommen und derart misshandelt, dass sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Am 12. November vergangenen Jahres schließlich wurde Frau Lien Hong in dem so genannten "Mennoniten-Prozess" um den vietnamesischen Pastor Hong Quang vom "Volksgericht Ho Chi Minh Stadt" wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Augenzeugen berichteten, dass Frau Lien wegen der Misshandlungen be-reits bei der Verhandlung weder gehen noch stehen konnte.
Der Bitte von Pastor Quang, das Gericht möge sie wegen ihres Nervenzusammenbruchs in ärztliche Behandlung schicken, wurde von den dafür Verantwortlichen nicht stattgegeben. Nach Aussagen ihres Vaters ist die Leitung des Umerziehungslagers Tong Le Chan nicht einmal über den schlimmen Zustand seiner Tochter informiert worden. Der Vater hat deshalb die vietnamesische Regierung in einem Schreiben aufgefordert, die Misshandlungen seiner Tochter sofort zu beenden, sie medizinisch behandeln zu lassen und die für die Folterungen verantwortlichen Täter zu bestrafen.