Mit der vom Europäischen Parlament am 11. Mai in Straßburg verabschiedeten Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen in der EU erhält der europäische Arbeitsmarkt deutlich mehr Durchlässigkeit und wird sich vor allem für Dienstleistungen weiter öffnen. Der mit dem EU-Ministerrat vorher abgestimmte Kompromiss sei ein starker Impuls für eine verstärkte Wettbewerbsfähigkeit durch mehr Flexibilität sagt der EVP-Binnenmarktexperte Joachim Wuermeling. Jetzt könnten der richtige Mann und die richtige Frau überall in Europa am richtigen Platz eingesetzt werden.
Auch das Wahlkampf bedingte Störfeuer aus Berlin, indem sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement am Tag vorher noch als Retter des deutschen dualen Ausbildungssystems vor der EU aufzuschwingen versuchte, änderte daran nichts. Erstens werde das deutsche System überhaupt nicht tangiert, zum anderen habe Clement in seiner offiziellen Stellungnahme zur Richtlinie dazu nichts gesagt, hieß es in Straßburg. Im Gegenteil, es werde eher zu einem Export der hohen Standards des deutschen Berufsbildungssystems kommen. Partei übergreifend wurde die Gesetzgebung als ein gelungenes Gleichgewicht zwischen dem Recht auf Freizügigkeit und Niederlassung in Europa einerseits und der Sicherung der Standards bei der Berufsqualifikation und bei den Verbraucherinteressen andererseits gelobt.
Betroffen von der Richtlinie sind vor allem Berufe im Dienstleistungsbereich, in denen eine spezielle Ausbildung verlangt wird, vom Handwerker wie dem Malermeister bis hin zum Arzt oder Wirtschaftsprüfer. Bisher gab es wegen der unterschiedlichen Ausbildungsgänge und Abschlüsse immer wieder Schwierigkeiten, die jetzt beseitigt werden sollen. Allerdings verlangt die Richtlinie, dass bei einer Bewerbung genau der Titel angegeben wird, den der Friseur in Deutschland, der Hairdresser in England oder Coiffeur in Frankreich erworben hat. Damit soll das Herkunftsland der Qualifikation erkennbar bleiben.
Auf dieser Grundlage sind nun die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, in anderen Mitgliedstaaten erworbene und den heimischen Abschlüssen vergleichbare Berufsqualifikationen gegenseitig anerkennen. In Deutschland sind von dieser Richtlinie 150 Abschlüsse in den verschiedenen Bereichen betroffen. Für eine dauerhafte Tätigkeit in einem anderen EU-Land wurde vom Parlament eine gegenüber dem Kommissionsentwurf von vier auf fünf Qualifikationsniveaus erweiterte Einstufung beschlossen. Sie reicht vom Angelernten, über den Gesellen, einem Fachschulabschluss und über das Abitur bis zum Hochschulabschluss. In einzelnen Streitfällen können die Behörden eine Nachschulung verlangen. In einzelnen Berufsgruppen, wie etwa bei Notaren, Anwälten oder in den Heilberufen sollen zum Schutz der Verbraucher Mindeststandards gelten.