Aufstieg und Niedergang der "Partei Rechtsstaatlicher Offensive", gemeinhin "Schill-Partei" genannt, sind schon fast wieder aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden. Die "Schill-Partei" blieb in Hamburg eine kurze Episode, die Ausdehnung auf Bundesebene misslang gründlich. Um die PDS war es seit dem Scheitern ihres Wiedereinzuges in den Bundestag als Fraktion zeitweise etwas stiller geworden, mangelnde Stabilität und fehlende organisatorische Kontinuität sind ihr aber nicht anzulasten.
Ein Vergleich beider Parteien vorwiegend unter dem Blickwinkel historischer Entwicklung wäre wenig ergiebig. Hartleb geht einen völlig anderen Weg. Auf dem Fundament einer umfangreichen (auch internationalen) Literatur erarbeitet er eine Liste von Merkmalen des Populismus: Eine Anti-Establishment-Haltung, Tabu-Brüche, Medienfokussierung, Zentrierung auf eine charismatische Führungspersönlichkeit, Neigung zu plebiszitären Politikformen und die Zuspitzung auf eine abgrenzbare Gruppe (Wir-Gefühl). Des weiteren erstellt er spezifische Merkmale des rechten Populismus (gegen Immigranten, für law and order, gegen die EU). Links stehen dem Pazifismus, "Antifaschismus", Antirassismus gegenüber.
Gemeinsam ist "Schill-Partei" und PDS ein Kurs der Anti-Globalisierung sowie des Anti-Amerikanismus. Es ist einsichtig, dass sich dabei völlig unterschiedliche Strategien ergeben: Die Abschottung Deutschlands und Europas ("Das Boot ist voll") auf der einen sowie die Fundamental-Kritik des "neoliberalen" Kapitalismus auf der anderen Seite weisen nicht nur auf verschiedene Muster, sondern auf fundamental andere Ebenen. Deutlich sichtbar wird das beim Anti-Amerikanismus. Für Schill war das eine untergeordnete Frage. Für die PDS ist es ein ideologisch-programmatischer Grundsatz. Ihr Amerika-Verständnis scheint noch weitgehend von der alten SED geprägt zu sein. Es definiert nach wie vor ihr "Feindbild" und verkörpert das ihren Vorstellungen entgegengesetzte Gesellschaftsmodell.
Damit stellt Hartleb auch zwei grundverschiedene Varianten des Populismus vor: einen extremistischen und einen nicht-extremistischen. Populismus meint also eher einen Politikstil - medienkompatibel, polarisierend, mit dem Anspruch auf moralische Integrität und sich als "eigentlichen" Repräsentanten des Volkes darstellend. Extremistische Parteien bedienen sich dieses Instrumentariums selbstverständlich auch, sie wollen aber in Konsequenz eine "andere Republik". Themen populistischer Parteien sind an akute Anlässe und Debatten geknüpft, oft auch austauschbar. Der Hang zu einem oder wenigen medien- oder kampagnengerechten Schwerpunkt ist offenkundig, größere programmatische Dokumente bilden eine Ausnahme.
Einleuchtend ist Hartlebs vergleichende Analyse von Wirkungsmechanismen. Die Schill-Partei war praktisch aus dem Nichts heraus in der Lage, ein "diffuses Unsicherheitsgefühl" der Hamburger aufzugreifen und zu bündeln, - ein Problem, vor dem die beiden großen Volksparteien versagt hatten. Die PDS hingegen stellte sich als Interessenvertreterin der Ostdeutschen dar und nutzte eine diffuse ostdeutsche Identität und die bekannte DDR-Nostalgie für die Formierung eines "Wir-Gefühls".
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass hier nur auf den ersten Blick eine Untersuchung zweier Parteien in Form von Fallbeispielen vorliegt. Ihr Kern besteht - neben der Vergleichsdimension - in der gründlichen, leider gelegentlich auch akademisch-langatmigen Erörterung des Komplexes "Populismus". Das sichert dem Werk einen dauerhaften Rang, auch wenn eines seiner Untersuchungsobjekte schon fast dem Vergessen anheim gefallen ist.
Florian Hartleb
Rechts- und Linkspopulismus.
Eine Fallstudie anhand von Schill-Partei und PDS.
VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004; 361 S., 36,90 Euro