Durch Zufall entdeckte der Historiker Friedemann Bedürftig elf vergessene Briefe, handgeschrieben von Herbert Wehner in den Jahren 1924 bis 1926 aus Dresden an seinen Freund Max Baumann nach Hamburg. Sie haben hohen Wert, denn originale Zeugnisse aus Wehners Jugendzeit sind rar. Als leidender und ringender, ungeduldig drängender Einzelgänger, Anarchist und Möchtegern-Revolutionär erscheint der 18- bis 20-jährige Wehner in jener bewegten Zeit. Vielleicht waren seine kraftvollen, mit empfindsamen Passagen wechselnden Satzfolgen erste Vorübungen für spätere Schriften und Reden.
An manchen Stellen kommt schon zum Vorschein, was den Abgeordneten (1949 bis 1983) und Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion (seit 1969) kennzeichnete: feste und klare Argumentation, gemischt mit beißenden und höhnischen Kommentaren. Am 22. August 1924 schrieb er seinem Brieffreund: "Wir müssen hämmern, hämmern!" Ist da nicht schon der alte Wehner durchzuhören, wie wir ihn als Parlamentarier kannten?
Es ist erstaunlich, was ein geschickter Autor aus elf Briefen herausholen kann: nicht nur Interpretationen, sondern auch kundige Beschreibungen der Zeit und des Umfelds. Dieses Büchlein ist eine hübsche Ergänzung zur Biografie "Der junge Wehner" von Hartmut Soell (MdB 1980 bis 1994) und - nicht nur wegen der Faksimiles und zahlreicher Abbildungen - eine Fundgrube für alle, die sich für die Geschichte der Arbeiterbewegung und die Persönlichkeit Wehners interessieren.
Friedemann Bedürftig
Die Leiden des jungen Wehner.
Parthas Verlag, Berlin 2005; 160 S., 19,80 Euro