Die Autorin beschreibt Fritz Lang, der mit seinem Monokel und steinernem Gesichtsausdruck dort war, andere Filmgrößen und schließlich die Rede von Goebbels, die von seinem Verständnis der Freiheit der Kunst ausging, dann weltanschauliche Andeutungen machte, um schließlich, Paradox der deutschen Filmgeschichte, gerade solche deutschen und internationalen Filmwerke hervorzuheben, deren Regisseure oder Produzenten jüdischer Herkunft waren. Tanja Kinkel zitiert Goebbels: "Sie können sich sicher fühlen, meine Herren. Die Zeit der ewigen Regierungswechsel ist vorbei. Wir sind jetzt da, und wir bleiben!"
Und die Herren blieben zwölf Jahre, zwölf Jahre Filmproduktion, für die eins charakteristisch war: Die Beschneidung, Einengung und Verhöhnung der Freiheit der Kunst. Als Erstes begann die Emigration der Filmschaffenden jüdischer Herkunft oder derjenigen, die unter dem Verdacht standen, mit der radikaldemokratischen Linken zu sympathisieren, von vielen nach Wien, und 1938 auch von dort oder 1939 von Paris in die Länder, die bereit waren sie aufzunehmen - insgesamt über 500 Frauen und Männer, die den Geist, die Ästhetik, die unerschöpfliche Vielfalt der Filmnarrative und die Filmsprache der Ufa und der anderen deutschen und österreichischen Produktionsfirmen geprägt hatten.
Es gibt noch keinen deutschen Spielfilm über Glanz und Elend der Ufa, und doch ist es eher die literarische Verarbeitung dieser "Stunde Null" des Filmschaffens unter dem Nationalsozialismus, die uns ein realistisches Bild gibt, als die zahlreichen sich widersprechenden Erinnerungen an jenen denkwürdigen Abend. In den Erinnerungen waren fast alle von großer Skepsis und Ablehnung geprägt, die Sicht auf Goebbels Rede und seine Folgen durch die notwendige politische Korrektheit nach 1945 bestimmt. Historische Darstellungen der Ufa betonen oft den politischen Einschnitt von 1933, doch sowohl von 1932 bis 1937, als Reinhold Schünzel, der letzte "nicht-arische" Regisseur, in die Emigration ging, als auch von 1944 bis in die Nachkriegszeit gibt es filmische und biografische Übergänge, die sowohl Personen als auch Filminhalte und Filmästhetik betreffen. Wer von deutschen Filmperioden spricht, sollte versuchen, nicht allein die massiven politischen Veränderungen zu berücksichtigen, sondern die Atmosphäre der Studios, die Winkelzüge kreativitätsbesessener oder karrierehungriger Regisseure, politischen Opportunismus und die Formen ästhetischen Widerstehens zu verstehen. Es ist die Eigenart von Filmen, dass sie auch ein Eigenleben haben und nicht immer das bewirken, was Produzenten, Propagandaministerien oder Regisseure beabsichtigen, denn ein Spielfilm setzt sich letztendlich erst im Kopf des Zuschauers zusammen, und dort befinden sich schon viele Bilder, die sich mit den neuen visuellen Eindrücken verbinden.
Je intensiver sich Wissenschaft, Publizistik und kontextorientierte Filmanalyse mit den in Berlin und Wien in den 30er- und 40er-Jahren produzierten Spielfilmen befassen, umso fraglicher werden jene gradlinigen monokausalen Interpretationen, nach denen entweder alles von Goebbels propagandistisch gesteuert war oder die unpolitische Unterhaltung den Vorrang hatte. Nationale Filmkulturen entwickeln sich nicht nach überstrapazierten Genrekategorien oder starren Periodisierungen der Politikgeschichte. Hinzu kommt, dass auch im deutschen Filmschaffen während der Jahre des Nazi-Regimes ästhetische und technologische Entwicklungen filmisch Ausdruck fanden, die sich in jeweiliger Ausprägung ebenfalls in anderen Filmkulturen finden. Kulturelle nationale Diskurse, Bilder des Soldaten, des Heldentums, des Patriotismus, der gesellschaftlichen Hierarchien, der Geschlechterbeziehungen, der Kameradschaft, der habituellen Einstellungen von und gegenüber Frauen, Sexualität, Partnerbeziehungen, Ehe, Drei- und Vierecksbeziehungen, das Verhältnis von Bild, Sprache und Musik sind so unterschiedlich nicht, ob man nach Hollywood, Paris, Wien oder Berlin blickt.
Die 20er-Jahre hatten auf der Grundlage der technologischen, ökonomischen und ästhetischen Neuerungen zur Entwicklung eines nahezu universellen Filmstils geführt, der zumindest zwischen Hollywood, Wien und Berlin Maßstäbe setzte, was durch die Fluktuation von Regisseuren, Drehbuchautoren, Kameraleuten und Komponisten zwischen den Kontinenten seit 1920 noch verstärkt wurde.
Relevant werden solche Überlegungen, wenn es um die Frage geht, ob die deutschsprachigen Filmproduktionen nach 1933, beziehungsweise für Österreich nach 1938 öffentlich oder nur hinter verhalten geschlossenen Seminartüren gezeigt werden sollten. Zensur ist das schlechteste Mittel zur Entwicklung eines demokratischen Bewusstseins - auch wenn es sich um Filme propagandistischen menschenfeindlichen Inhalts handelt. Dies wird durch die Entwicklung digitaler Medien, insbesondere des Internets und des internationalen DVD-Marktes zu einer Herausforderung visueller und politischer Bildung. Die große Mehrheit der Spielfilme der Nazi-Zeit - wenn auch oft nicht in den vollständigen Fassungen des Bundesarchiv-Filmarchivs oder des Filmarchiv Austria - sind heute auf dem DVD- und VHS-Markt verfügbar. Durch die mediale Globalisierung sind Verbote kaum durchsetzbar, soweit sie die private Verfügbarkeit und Vorführung 1945 aus dem Verkehr gezogener Spielfilme aus dem Repertoire des Propagandaministeriums betreffen. Der Kauf oder das Ausleihen von VHS und DVD ermöglichen unendliche Varianten der Projektion im doppelten Sinne - vor und auf dem Bildschirm oder der Leinwand. Dem kann nur mit einer offensiven und breiten Kontextualisierung der Filme begegnet werden. Diese Kontextualisierung betrifft sowohl Konstanten in der Filmpolitik wie den großdeutschen völkischen Traum, die Überhöhung des deutschen Genius, die Glorifizierung des deutschen Soldaten als auch den Starkult und Veränderungen in den Jahren bis 1945, die insbesondere am Frauenbild, an der Radikalisierung des Rassismus, an den Front-Heimat-Filmen und an einigen Unterhaltungsfilmen mit subversiven Aspekten ablesbar sind.
Für die heutigen Diskussionen sind radikale, kritische, zeit- und kulturgeschichtliche Perspektiven auf die Spielfilme zwischen 1933 und 1945 auch deshalb von Bedeutung, weil sie vorschnelle Identifizierungsmuster, moralische Einordnungen oder visuelle Erlösungsstrategien, die zahlreiche neuere Filme über Nazi-Deutschland, den Zweiten Weltkrieg und die Shoah oder andere Vergangenheitsdiskurse charakterisieren, infrage stellen. Ein Film über die Vernichtungspolitik mit Happyend mag für den Zuschauer kurzfristig schön sein, doch hat dann, so absurd es klingen mag, der antisemitische Hetzfilm "Jud Süß" mehr historische Wahrheit über die Mentalitäten der frühen 40er-Jahre anzubieten, wenn er nicht nur einfach vorgeführt, sondern mit den Zuschauern im historischen und aktuellen Kontext diskutiert wird.
"Staatspolitisch besonders wertvoll" war die Bewertung, die das NS-Regime nach 1933 in Deutschland und nach 1938 in Österreich zahlreichen Spielfilmen verlieh (ausführlich zu den Bewertungen, der Politik des Propagandaministeriums und den geförderten Filmen: Klaus Kanzog, "Staatspolitisch besonders wertvoll". Ein Handbuch zu 30 deutschen Spielfilmen der Jahre 1934 bis 1945, München 1994). Dahinter verbargen sich nicht selten Filme mit beliebten Schauspielern, gedreht von erfolgreichen Regisseuren, deren Aufgabe es war, die Gedanken und Gefühle der Kinobesucher auf die Ziele und Werte der NS-Ideologie zu lenken. Propaganda durch Unterhaltung war die Devise. Große Teile des deutschsprachigen Films entsprachen dem. In den Studios wurden Spielfilme produziert, deren Aufgabe es war, in der Tradition der Ufa und des Wiener Films erfolgreich Millionen zu erreichen und gleichzeitig die politischen Botschaften des Nationalsozialismus an die Frau, an den Mann und vor allem an die Jugend zu bringen. Der nationalistische Blick auf die Geschichte wie in den Preußen- und Bismarck-Filmen, die Verherrlichung des Deutschtums in Kolonial- und Kriegsfilmen und die Beschwörung eines großdeutschen Reiches paarten sich mit den Bildern rassistischer und antisemitischer Verhetzung, mit Militarismus und gegen Ende der NS-Herrschaft mit Durchhaltekitsch wie in dem Film des letzten völkischen Aufgebots "Kolberg".
Die kulturgeschichtliche Diskussion solcher Filme mit einem heutigen diskussionsbereiten Kinopublikum zeigt, dass dabei viel mehr Erkenntnisse über geschichtliches Bewusstsein, Gefahren ideologischer Verführbarkeit und die Rolle der Kunst und Künstler in westlichen Gesellschaften gewonnen werden können als durch unreflektierte Verbote, die diese Filme eher noch attraktiver machen, als sie eigentlich sind. Filmsprachen und Filmästhetik haben sich weiterentwickelt, und der heutige Zuschauer hat viel mehr visuelles Know-How als vor drei Generationen.
Doch waren alle 1933 bis 1945 produzierten Spielfilme Propaganda? Knüpfte das Kino der NS-Ära nicht auch an das deutschsprachige Kino vor 1933, in Österreich vor 1938 an? Schließlich hatte es nach 1919 in der blühenden Berliner und Wiener Filmkultur neue Perspektiven auf Geschichte und Zeit, auf Stadt und Land, auf Körper und Geschlechterbeziehungen gegeben, hatten sich auf der Leinwand das Dramatische mit dem Komödiantischen, das Subversive mit dem Sozialkritischen verbunden. Klassenverhältnisse, Männlichkeit und Weiblichkeit wurden filmisch durcheinandergewirbelt. Das Mainstream-Kino entstand. Unterhaltung auf niedrigem und auf hohem Niveau wurde produziert, auch nach 1933.
Goebbels wollte das hohe Niveau halten, gleichzeitig sich aller Filmschaffenden jüdischer Herkunft entledigen und die neuen weltanschaulichen Normen noch in der seichtesten Unterhaltung durchschimmern lassen. Dennoch sollte das Kino von 1933 bis 1945 nicht einfach als NS-Film bezeichnet werden, dazu war es zu vielschichtig, zu widersprüchlich, was man unter anderem an Filmen wie "Allotria", "Amphitryon", "Tanz auf dem Vulkan", "Münchhausen" und selbst an dem, dem NS-Menschenbild am nächsten kommenden, Heinz Rühmann-Film "Die Feuerzangenbowle" ablesen kann. Selbst die Produktion "Aufstand vor Damaskus", ein Film über den Ersten Weltkrieg, enthält durch das Spiel des Hauptdarstellers Joachim Gottschalk Konnotationen, die dem gewünschten preußischen Geist widersprechen.
Für viele Filmschaffende wie für Gustav Gründgens, Sybille Schmitz, Heinz Rühmann, Hans Albers wurde dies wahrlich zu einem "Tanz auf dem Vulkan". In dem gleichnamigen Spielfilm, nach heutigen Maßstäben wahrlich keine bedeutende Produktion, wird in französisch-historischen Kostümen zum Sturz des Königs aufgerufen. Gründgens singt in einer Schlüssel-Revue-Szene den Chanson "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da" und fordert freundlich auf der Bühne tanzend zur Revolte auf. Wer wollte, konnte darin mehr als nur einen Kostümfilm sehen. Goebbels meinte abschätzig "zu viel Hirn". Es ist schwer heute genau zu wissen, wann Unterhaltungsfilme noch anderes bewirkten als Unterhaltung pur, doch sollte man solchen Spielfilmen nicht jegliche Rolle absprechen. Der Hans Albers-Film "Münchhausen" kam in die Kinos, als der Untergang der Wehrmacht bei Stalingrad besiegelt war. Es war ein grandioses überbordendes Farbspektakel, doch wer den Dialogen zuhörte, konnte sich den Frechheiten kaum entziehen. Das klang anders als die patriotischen Reden in den Bismarck- und Kameraderie-Filmen. Es ist müßig, hier zu fragen, was Goebbels dazu meinte, denn durch solche Filme schimmerte immer auch eine andere, wenngleich nicht für jeden offensichtliche kulturelle Option.
Mit der zunehmenden Radikalisierung des Krieges radikalisierte sich allerdings auch der Auftrag an die deutsche Filmindustrie, von der Leinwand zum "Endsieg" beizutragen. Viele Filmschaffende entzogen sich diesem Auftrag nicht, primitiv-menschenfeindliche Bilder der Slawen, antikommunistische und antijüdische Hetztiraden, unschuldige Deutsche mordende Exilanten bevölkerten die Leinwand. Gleichzeitig verbanden Filme wie "Die große Liebe" und "Wunschkonzert" den filmischen Kriegsauftrag mit der gewünschten ablenkenden realitätsfremden Unterhaltung. Für einen Kinofilm alles vergessen, was draußen vor sich ging, oder moralisch aufgerüstet wieder an die Front oder die Heimatfront zu gehen, kennzeichnete das Filmschaffen der letzten Jahre des Krieges.
"Kolberg" von Veit Harlan setzte den Schlusspunkt unter die NS-Filmpolitik. Doch als der Film in die Kinos kam, vermerkte Goebbels in seinem Tagebuch am 19. März 1945 über die pommersche Stadt: "Kolberg haben wir nunmehr räumen müssen (…) Ich will dafür sorgen, dass die Räumung von Kolberg nicht im OKW-Bericht verzeichnet wird. Wir können das angesichts der starken psychologischen Folgen für den Kolberg-Film augenblicklich nicht brauchen." Die Filmillusionen erfolgreichen Widerstehens bis zum Letzten erschienen dem Chefpropagandisten nun wichtiger als die Wirklichkeit einer totalen militärischen Niederlage. Draußen fielen die Bomben, zerbröckelte das Reich, und im Kino sang das Publikum mit Zarah Leander: "Es wird noch einmal ein Wunder geschehen…"
Frank Stern, langjähriger Leiter des Zentrums für deutsche Studien an der Ben Gurion Universität in Israel, lehrt zurzeit visuelle Zeit- und Kulturgeschichte an der Universität Wien.