Politik und Film haben sowohl bei Kino- als auch Fernsehproduktionen ein komplexes - manchmal sogar verhängnisvolles - Verhältnis zueinander. Auf der einen Seite steht der politische Film in Verdacht, das Künstlerische verkommen zu lassen, und die ideologische Instrumentalisierung der Kunst durch autoritäre und diktato- rische Regime führt dazu, dass viele Kunstschaffende mit Politik nichts zu tun haben wollen. Auf der anderen Seite kann gerade der Film nach schmerzhaften historischen Erfahrungen mit Diktatur, Terror und Massenmord, nach Terroranschlägen wie denen vom 11. September 2001 ein Mittel der Auf- und Verarbeitung sein. Und er bietet subtile Möglichkeiten, den Menschen und seine Betroffenheit durch politische Missstände in den Mittelpunkt zu rücken. Dieser schwierigen Beziehung zwischen dem Politischen und dem Künstlerischen im Film widmet sich diese Ausgabe.
Es geht zum einen um medientheoretische Fragen wie beispielsweise der, wie viel Politik im Film sein darf, ohne dass das Künstlerische vor die Hunde geht. Wie kann der Film als Vermittler oder Zerstörer von Vorurteilen wirken und wirkt sich das Bemühen um "political correctness" auf das Kino aus? Am Beispiel des "Cinema for Peace" wird beschrieben, was passiert, wenn Künstler selbst zu Politakteuren werden. Und der ZDF-Historiker Guido Knopp beantwortet im Interview Fragen zu dem sowohl zunehmenden als auch umstrittenen Trend zum Doku-Drama.
Mit historischen Rückblicken wird auf die Geschichte des Kampfes um die Macht der Bilder in diktatorischen und autoritären Regimen eingegangen. Was sollte beispielsweise im Nationalsozialismus und in der Sowjetunion mit politischer Indoktrination per Film erreicht werden? Und hat das überhaupt funktioniert? Ein Beispiel recht weit gehender politischer Einflussnahme in einer Demokratie zeigt die Zusammenarbeit des Pentagon mit Hollywood.
Die Banalität des Bösen auf der Kinoleinwand ist ein weiterer Komplex: Wie wurde der Holocaust über Jahrzehnte im bundesrepublikanischen Kino thematisiert beziehungsweise ignoriert? Der Horror des Nationalsozialismus hat das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land erschwert. Es scheint, als ob Nationen wie Frankreich und die Vereinigten Staaten viel leichter und öfter in Filmen ihre "Nationalhelden" in den Mittelpunkt stellen. Drehbuchautor Fred Breinersdorfer erklärt im Interview, warum er Sophie Scholl für die einzige deutsche Nationalheldin hält.
Der große Erfolg von Fatih Akins "Gegen die Wand", der sich auf drastische Art dem Thema Multikulturalismus widmet, zeigt, dass Film auch in unserer mediendominierten Zeit noch berühren kann und gesellschaftspolitische Themen im Kino keineswegs gähnende Leere in den Filmpalästen bedeuten. Auch die Abrechnung mit den 68ern und der RAF ist ein Thema, das eine jüngere Generation von Regisseuren beschäftigte.
Die Frauen sollen nicht zu kurz kommen: Darüber, wie sich die Rolle der Frau im Film gewandelt hat, sprach "Das Parlament" mit der Regisseurin Margarethe von Trotta - und darüber, ob sie "Frauenfilme" dreht und was den weiblichen Blick auf die Welt ausmacht.
Auch die viel zitierte Globalisierung fehlt nicht: Sie lässt die Krisenherde der Welt durch Fernsehen und Kino im Zusammenhang mit verbesserten technischen Möglichkeiten immer näher rücken - doch welchen Beitrag kann der Film wirklich leisten, diese Konflikte besser zu verstehen?
Das zuweilen schwierige Verhältnis zwischen Politik und Film sollte jedoch niemanden vom Kinobesuch abhalten, sondern vielmehr den einen oder anderen dazu bewegen, mit neuem Interesse ins Kino zu gehen oder Filme "mit anderen Augen" zu sehen.
Ulrike Schuler arbeitet als freie Journalistin in Berlin.