Vieles wurde auf den Weg gebracht, aber manches blieb auch liegen. Dies ist in etwa das umweltpolitische Fazit des neuen Jahrbuchs über die erste Ära Rot-Grün im Bund: So ist für Martin Jänicke, Mitglied im Umweltsachverständigenrat, das prinzipiell übergreifende Anliegen der Umweltschonung mittlerweile in anderen, ehemals eher "feindlichen" Ressorts wie Energie- und Agrarpolitik verankert. Wenig sei bisher aber passiert in Sachen Ökologisierung der Wirtschafts-, Verkehrs- und Finanzpolitik.
Letztere subventioniere noch immer fossile Energien wie Flugbenzin und Kohle sowie den Flächenverbrauch (Eigenheimzulage für Neubauten), der trotz sinkender Einwohnerzahl immer noch zunimmt. "Zum Jagen getragen" wurde dagegen die Wirtschaftspolitik: Erneuerbare Energien erreichten 2004 bereits einen Umsatz von 11,5 Milliarden Euro - soviel wie die Pharmaindustrie, und sie haben allein schon deshalb erhebliche wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Bedeutung.
In Zeiten, in denen von interessierten Wirtschaftskreisen gerne das Argument gebraucht wird, die hiesigen Umweltauflagen seien zu hoch, verhinderten und vernichteten gar Arbeitsplätze, bietet das Jahrbuch deutliche Gegenargumente: Umweltschutz muss viel selbstbewusster auftreten, um - dabei nicht anders als Bildungsausgaben - auf seinem Investitionscharakter zu bestehen, denn die Kosten der unterlassenen Umweltschonung sind nach aller Erfahrung viel größer als die für die Umweltauflagen und -abgaben.
Das heißt nicht, dass es nicht nötig wäre, das Umweltvorschriftengestrüpp zu lichten und manche umweltpolitische Maßnahme nachvollziehbarer zu vermitteln, so der Präsident des Bundesumweltamtes, Andreas Troge, in seinem Beitrag.
Umweltschutz in den Betrieben kann ein "Innovationskatalysator erster Güte" sein, also weit mehr als Schadensvermeidung: Mit ihm einher geht normalerweise auch ein größeres Augenmerk auf betriebliche Abläufe, finanzielle Transparenz und Effizienz, so Uwe Scheidewind, Präsident der Uni Oldenburg.
Ob der in dem Beitrag des Juristen Martin Winkler zwischenbilanzierte Emissionshandel wirklich als "kopernikanische Wende" der CO2-Minderung zu bezeichnen ist, kann man bezweifeln, wenn man sich den damit verbundenen bürokratisch-juristischen Aufwand und die geringen Minderungsziele - meist nur der kleinste gemeinsame Nenner etwa der Kyoto-Vereinbarungen - anschaut. Es führt bei allen Fortschritten im Kleinen ja kein Weg an der traurigen Erkenntnis auch dieses, des 15. Jahrbuchs Ökologie vorbei, dass sich die globalen Negativtrends der Umweltbelastungen nicht geändert haben! Nur massive, radikale Änderungen können wirkliche Lösungen bringen.
Was zunächst als Kuriosum im ökologischen Zusammenhang erscheint, ein Loblied auf die Treue zur Spiegelreflexkamera, entpuppt sich erst im Nachhinein als relevant: Hier wird einmal demonstriert, wie befriedigend ein nachhaltiger Umgang mit Gebrauchsdingen sein kann - im Unterschied zur vorherrschenden "seelenlosen" und schnellebigen Wechsel- und Wegwerfmentalität. Nicht stimmig erscheint dagegen die Vermengung von Naturkatastrophen, die durch Erdbebeben verursacht sind (Tsunami), mit solchen, die wohl stärker auch auf menschlichen Einfluß zurückgehen (Hurrikans), wobei natürlich in beiden Fällen die Vorsorge auch eine ökologische Dimension hat, man denke nur an leichtsinnige Hauskonstruktionen und küstennahe Bebauungen.
Wie immer kann in wenigen Rezensionszeilen nur die ganze Themenfülle des Sammelbandes angedeutet werden: Weitere Stichworte sind Gentechnik, institutionelle Verankerung der Nachhaltigkeitsstrategie, Produktinnovationen, Kurzporträts der Pioniere Thoreau, Lovelock, Chargaff, Kornevall (dem ABB-Umweltmanager), sowie Selbstdarstellungen der Umweltinstitutionen Adelphi Research, Foodwatch und dem Sachverständigenrat für Umweltfragen.
Günter Altner u.a. (Hrsg.)
Jahrbuch Ökologie 2006
Verlag C.H.Beck, München 2005; 288 S., 14,90 Euro