Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat auf ihrer Jahrestagung Anfang November in Berlin jeder Form von religiösem und politischem Extremismus eine entschiedene Absage erteilt. Die unter dem Titel "Tolerant aus Glauben" verabschiedete Erklärung verpflichtet die Kirche, "Ausbrüchen von Intoleranz" in der Gesellschaft zu wehren. Maßgeblich an der Vorbereitung der Erklärung war der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe, der auch dem 15-köpfigen Rat der EKD unter Vorsitz des Berliner Bischofs Wolfgang Huber angehört.
Für Gröhe muss die Klarheit des eigenen Standpunktes mit dem Respekt vor anderen Menschen und ihren Auffassungen verbunden werden. "Für Christen geht es um Glaubensfestigkeit und Toleranz", fasste Gröhe die Haltung der Kirche zusammen. Zugleich warnte er davor, Ignoranz oder geistige Enge mit Toleranz zu verwechseln. Wenn zu lange darüber hinweggesehen werde, dass in Parallelgesellschaften Mädchen beschnitten und zwangsweise verheiratet würden, habe dies mit Respekt vor anderen Kulturen nichts zu tun. Vielmehr handele es sich um eine "schändliche Respektlosigkeit gegenüber den Opfern menschenfeindlicher Traditionen".
In seinem traditionellen Rechenschaftsbericht richtete der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, auch einen Blick auf die laufende Regierungsbildung. Die wahrscheinliche Große Koalition müsse nun das Vertrauen erneuern, das bei der Bundestagswahl vom 18. September keine der großen Parteien für sich allein habe gewinnen können und das auch in der Politik zu einem "knappen Gut" geworden sei. Die politisch Verantwortlichen müssten nun "möglichst überzeugend" deutlich machen, dass ihnen die anstehenden großen Aufgaben wichtiger seien als die eigene Karriere. Huber: "Vertrauen wächst nur, wenn Menschen den Eindruck gewinnen können, dass ihre Zukunftssorgen eine größere Rolle spielen als politische Farbkombinationen, dass Lösungsansätze gezeigt werden und nicht nur Machtansprüche."
Der ranghöchste Geistliche der evangelischen Kirche warnte vor weiteren Erleichterungen bei den direkten Steuern und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer, die vor allem die Armen treffe. Die nicht zu bestreitende Notwendigkeit zur Sanierung der Staatsfinanzen dürfe aber nicht das Recht der Menschen auf gesellschaftliche Beteiligung zunichte machen. Die soziale Gerechtigkeit müsse auch Maßstab des Reformprozesses sein. Die Stärke des Staates müsse sich am Wohl der Schwachen messen.
Ausführlich ging Bischof Huber auch auf die Situation der Familie ein, die sich in der Krise befinde. Mit finanziellen Einzelmaßnahmen seitens des Staates könne diese Krise nicht überwunden werden. Vielmehr sei ein neues Ja der jungen Menschen zur Familie notwendig. Dieses Leben in Familie könne aber durch zahlreiche politische Maßnahmen erleichtert werden. Auch forderte er Rechtssicherheit für Ausländer, die sich seit vielen Jahren in Deutschland aus Gründen aufhielten, die sie selbst nicht zu verantworten hätten. Ein sicherer Aufenthaltsstatus sei für diese Menschen dringend notwendig.
Mit einem klaren Nein wandte sich der EKD-Ratsvorsitzende gegen jede Form der aktiven Sterbehilfe. Denn diese sei mit christlichen Grundüberzeugungen, mit dem ärztlichen Ethos und dem geltenden Recht unvereinbar. Stärker als bislang müssten stattdessen Palliativmedizin, Hospizarbeit, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen eingesetzt werden.
Der Erzbischof von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky, appellierte in einem Grußwort vor der Synode an die Politiker, die anstehenden Reformen "mit Augenmaß für das Soziale" anzupacken. Bei notwendigen Einschnitten dürfe die Solidarität mit den Schwachen nicht zu kurz kommen. Der 120-köpfigen EKD-Synode gehören als Mitglieder neben dem CDU-Abgeordneten Hermann Gröhe auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) sowie die Abgeordneten Kerstin Griese (SPD) und Harald Leibrecht (FDP) an.