Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat vor dem Entstehen einer "Zuschauer-Demokratie" gewarnt. Die Menschen meinen nicht mehr, mittun zu müssen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Sie schalteten den Fernseher ein und erlebten Politik als Zuschauer.
Bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt hatten am 22. April nur 36,5 Prozent der Wahlberechtigten - also in etwa jeder Dritte - gewählt. Das ist eine historisch niedrige Wahlbeteiligung. Auch Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) übte Kritik daran: "Wenn es darum geht, zu meckern und zu kritisieren, dann sind viele dabei. Wenn es aber darum geht, Verantwortung zu übernehmen, dann sind offensichtlich viele nur schwer zu begeistern."
Jürgen Dittberner, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Potsdam, erklärte, kommunalpolitische Themen gälten als spröde. Man interessiere sich nur dafür, wenn man direkt persönlich betroffen sei und unterstütze dann gelegentlich auf Zeit
Bürgerinitiativen. Wahlen würden da eher als ineffektives Ritual gesehen. Insbesondere in Sachsen-Anhalt habe es zudem seit 1990 zahlreiche politische Wechsel gegeben, ohne dass die Region wirklich einen Sprung nach vorne gemacht hätte. Die CDU hatte die Wahlen mit 33,6 Prozent der Stimmen vor der SPD mit 20,2 Prozent und der Linkspartei mit 19,2 Prozent klar gewonnen.