»Valkyrie«
Das neue Filmprojekt von Tom Cruise sorgt für Aufregung. Darf ein Scientologe einen Widerstandskämpfer spielen?
Keiner kennt's, aber es wird intensiv drüber debattiert. Das Filmprojekt "Valkyrie", in dem Tom Cruise den Hitlerattentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg spielt, erregt die Gemüter. Zumindest die in den Feuilletons. Aus der Politik wurde die Diskussion angestoßen: Weil Cruise Scientologe ist, dürfe er Stauffenberg nicht spielen. Das Finanzministerium verbot Dreharbeiten im Bendlerblock. Filmschaffende der Republik reiben sich verwundert die Augen und man fragt sich: Was ist hier eigentlich los?
Es begann damit, dass die "Süddeutsche Zeitung" den Sohn von Stauffenberg fragte, was er von dem Filmprojekt hält. Berthold Schenk Graf von Stauffenberg zeigte sich wenig erfreut. Ihm sei unsympathisch, dass ein bekennender Scientologe seinen Vater spiele und er befürchtet, dass da "ein grauenvoller Kitsch rauskommt". Hier hätte die Geschichte eigentlich auch schon beendet sein können.
Doch dann verkündete die Sektenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Antje Blumenthal, der Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung habe ihr zugesichert, dass der Scientologe Tom Cruise keine Drehgenehmigung für den Bendlerblock erhält. Blumenthal freut sich darüber, denn eine Drehgenehmigung wäre "einer bundespolitischen Anerkennung gleichgekommen. Gerade Kinder und Jugendliche hätten ein solchen Signal falsch verstehen und die Gefahr, die von Scientology ausgeht, unterschätzen können." Aha. Klaus Uwe Benneter (SPD) sprach von einem "Schlag ins Gesicht aller aufrechten Demokraten", wenn Cruise von Stauffenberg spielt. Und Hans-Joachim Otto von der FDP riet dem Regisseur sogar, "die Rolle des Stauffenberg mit einem unbelasteten Schauspieler zu besetzen".
Letzte Verfügungsgewalt über den Bendlerblock hat das Bundesfinanzministerium. Das verbot die Dreharbeiten am Originalschauplatz. "Aber das war keine grundsätzliche Absage an den Film", betont Ministeriumssprecher Stefan Olbermann. Viel-mehr sei man aus Erfahrung zu dem Schluss gekommen, dass die Gedenkstätte für einen Dreh, wie er angefragt war, nicht geeignet sei.
Die Erfahrung bezieht sich auf den Stauffenberg-Fernsehfilm von Jo Baier. Der durfte vor drei Jahren im Bendlerblock drehen. Olbermann: "Da haben wir eben gesehen, was es bedeutet, wenn man nicht nur die Fassade braucht, sondern drinnen dreht." Teilweise seien Umbauten notwendig, und das wollte man in der Gedenkstätte nicht. Das Ministerium sei jedoch in Kontakt mit der Produktionsfirma wegen anderer Drehorte und alles verliefe recht konstruktiv.
Beifall für das Drehverbot gab's vom Leiter der im Bendlerblock angesiedelten Gedenkstätte Deutscher Widerstand Peter Steinbach. Der hätte die Dreharbeiten an diesem Ort "geschmacklos" gefunden. Im Deutschlandradio sprach er von der "Würde des Ortes". Von "Actionfilmmanier" und dass "man versucht, mit einem Film, der spektakulär ist, Meriten zu gewinnen, die überhaupt nichts mit der inneren Auseinandersetzung, mit der Auseinandersetzung mit der politischen Moralität zu tun haben". Auch Steinbach kennt das Drehbuch zu "Valkyrie" übrigens nicht.
Abseits von Politik und Geschichtsverwaltern wird das Thema anders gesehen. Volker Schlöndorff sprach von einer "Posse peinlichster Art", Claus Peymann erklärte, ihm sei es immer egal gewesen, was einer in seiner Freizeit mache, so lange er schauspielerisch gute Leistungen bringe und Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck legte auf einer ganzen FAZ-Seite dar, dass seiner Ansicht nach die Debatte aus dem deutschen Umgang mit den Widerstandskämpfern resultiere. So habe man sich in der frühen Bundesrepublik um das Thema Nationalsozialismus eher gedrückt. Erst spät seien die Männer des 20. Juli entdeckt und als Helden auf ein sehr hohes Podest gehoben worden. Zu spät, als dass im Ausland dann noch Interesse dafür bestanden hätte. Von Donnersmarck sieht in der Tatsache, dass der Superstar Tom Cruise von Stauffenberg spielt die Chance, Stauffenberg nun auch international bekannt zu machen. Das Drehverbot bezeichnet er als "deutsche Verbotsgeilheit".
FAZ-Herausgeber Frank Schirmmacher wies schließlich noch darauf hin, dass von Stauffenberg als Anhänger des Kreises um Stefan George alles andere als ein Verfechter der Demokratie war. Heute würde sich ein George-Kreis "im Überwachungsbereich des Sektenbeauftragten und auch des Verfassungsschutzes" befinden. Kurz: Wenn Gesinnung und Ideologie Verbotsgründe wären, dürfte "der wahre Stauffenberg heute Stauffenberg nicht spielen".
Die Macher des Films mit dem Arbeitstitel "Valkyrie" - die Männer des 20. Juli hatten ihren Attentatsplan "Walküre" genannt -bleiben in dieser ganzen Diskussion gelassen. Eike Wolf, Sprecher der Studio Babelsberg AG: "Wir haben akzeptiert, dass es keine Drehgenehmigung für den Bendlerblock gibt." In der Filmproduktion sei das normales Tagesgeschäft. Die Szenen im Bendlerblock, wo von Stauffenberg sein Büro hatte und wo er und Mitverschwörer nach dem missglückten Attentat als Verräter erschossen wurden, werden nun auf dem Studiogelände gedreht.
Der Babelsberger Vorstandsvorsitzende Carl Wiebcken teilte mit, die Studios hielten Tom Cruise "für die ideale Besetzung in der Rolle des Oberst Stauffenberg". Man freue sich auf die Zusammenarbeit mit Paula Wagner und ihrem Team von United Artist, insbesondere auf den Regisseur Bryan Singer ("Die üblichen Verdächtigen", "Superman Returns"). United Artist, an der Tom Cruise beteiligt ist, und Babelsberg produzieren den Film, der dem Vernehmen nach um die 80 Millionen Dollar kostet, gemeinsam. Durch den deutschen Koproduzenten gibt es 4,8 Millionen Euro Förderung vom Deutschen Filmförderfonds, der von der Bundesregierung mit jährlich 60 Millionen Euro ausgestattet wird, um Wettbewerbsfähigkeit und Qualität des deutschen Films zu steigern. Die Förderung erfolgt nach einem festen Richtlinienkatalog. Es ist im Grunde nur ein weiterer Aspekt in dieser Farce: Einerseits fördert die Bundesregierung den Film, andererseits maßen Politiker - auch aus dem Regierungslager - sich an, über Rollenbesetzungen zu urteilen.
Da werden abstruse Zusammenhänge zwischen der Sektenanhängerschaft von Tom Cruise, die allein seine Privatangelegenheit ist, und einer angeblichen Beschädigung der Figur von Stauffenberg konstruiert. Was hat Tom Cruise eigentlich getan? Er dreht Filme. "Top Gun", "Eine Frage der Ehre", "Mission impossible", "Eyes Wide Shut", und und und - Propaganda für die Scientology Sekte sind in den Werken nur schwer zu erkennen. Wie der Stauffenberg-Film wird, weiß kein Mensch. In dieser Woche beginnen in Berlin die Dreharbeiten. Im nächsten Jahr kommt der Film in die US-amerikanischen Kinos, so der Plan.
Klar ist, dass kein Dokumentarstreifen entsteht, kein Guido Knopp Zeitzeugen befragt. Es wird ein Spielfilm. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Man wird dann über den Film diskutieren. Die jetzige Debatte dürfte bis dahin vergessen sein. Hoffentlich.