Der Bundestagspräsident
Eine Darstellung zu Amt und Amtsinhabern
Als Norbert Lammert in den vergangenen zwei Wochen immer wieder Stellung beziehen musste zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Offenlegungspflicht der Nebeneinkünfte von Parlamentariern, da wurde einmal mehr deutlich: Das Amt des Bundestagspräsidenten umfasst eben weit mehr Aufgaben als nur die Leitung von Plenardebatten.
Wer weiß etwa schon, dass der Parlamentspräsident neben den Innenministern auf Bundes- und Länderebene ebenfalls Herr über eine eigene Polizeitruppe ist? Immerhin eine gute Hundertschaft umfasst der Polizei- und Sicherungsdienst, über den Norbert Lammert gebietet.
Wer sich einen schnellen und trotzdem fundierten Überblick über die unterschiedlichen Funktionen des Bundestagspräsidenten und seiner sechs Stellvertreter verschaffen will, dem sei jener "Klassiker" empfohlen, der nun bereits in der 17. und über- arbeiteten Auflage erschienen ist.
Erstmals erscheint "Der Bundestagspräsident" unter der Regie des Historikers Michael F. Feldkamp. Der Herausgeber, selbst Mitarbeiter des Bundestages, hat sich bereits durch eine Reihe von Publikationen zum Parlamentarismus einen Namen gemacht.
Der informative Band liefert nicht nur einen Überblick über das protokollarisch zweitwichtigste Amt im Staat und die bisherigen Amtsinhaber, sondern auch generell über die Funktions- und Arbeitsweise des Parlaments. An einigen Stellen hätte die Darstellung allerdings durchaus etwas konkreter und vertiefender ausfallen dürfen: Zum Beispiel bei den Fragen, warum der Parlamentspräsident keinen Amtseid ablegt oder welche Probleme seine Aufgabe als Kontrollinstanz über die Parteienfinanzierung birgt.
Im Grundtenor wohlwollend, aber auch mit kritischen Spitzen versehen, lesen sich die Porträts über die Mitglieder des amtierenden Bundestagspräsidiums, die das Buch abrunden und mit Leben erfüllen. Geschrieben von Redakteuren und Parlamentskorrespondenten verschiedener Printmedien, zeigen sie, welche individuellen Spielräume zumindest im Führungsstil das Amt trotz des institutionellen Rahmens bietet.
Henning Krumrey, Leiter der "Focus"-Parlamentsredaktion, gewährt einen Blick hinter die Kulissen des "hohen Hauses", der erkennen lässt, dass auch die Stellung des Bundestagspräsidenten nicht vor parteipolitischem Gezänk und Eifersüchteleien schützt. Kaum im Amt, wurde der "parlamentarische Oberhirte" Lammert im Ältestenrat von der SPD kritisiert, weil er einem "christlich-konservativ geprägten Journalisten" die Pressearbeit anvertraute und wenig später zog er sich den Unwillen der Union zu, weil er "vier gut qualifizierte Mitarbeiter in Spitzenämter der Verwaltung beförderte, von denen einige auf SPD-Ticket durch die Hierarchien reisten". Politische Ämter haben eben "ihren Glanz und ihr Elend", wie Lammert nüchtern feststellt.
Die Porträts über Wolfgang Thierse und Lammert zeigen auch, dass zwei im Naturell so unterschiedliche Persönlichkeiten trotzdem ganz ähnliche Anliegen umtreiben. Ebenso wie sein Vorgänger schrieb Lammert den Parlamentariern ins Stammbuch, dass Polit-Talkshows kein Ersatz für die Debatten im Bundestag sein können. Dass diese es allerdings bisweilen an rhetorischer Spannung mangeln lassen, wissen beide. So ermunterte Lammert die Abgeordneten in seiner Antrittsrede zu lebhaften Debatten, die eben nicht "steif, trocken und humorlos, also langweilig" sein müssten. Und weiter: "Temperament ist erwünscht."
Dass Humor kein Gegensatz zur Würde des Parlamentes darstellt, darauf hatte bereits Bundestagspräsident Richard Stücklen zum Auftakt der neunten Legislaturperiode hingewiesen. Vielleicht nutzt der eine oder andere Parlamentarier ja die Sommerpause, um sich all die Ermahnungen und Ermunterungen der bislang zwölf Bundestagspräsidenten noch einmal zu Gemüte zu führen. Auch diese Gelegenheit bietet der Band von Feldkamp.
Michael F. Feldkamp (Hg.):
Der Bundestags-präsident. Amt, Funktion, Personen.
Olzog Verlag, München 2007; 286 S., 19,90 ¤