Menschenführung in der Bundeswehr: Anspruch und Wirklichkeit
Sie ist ein großes Thema in der Bundeswehr und ein Markenzeichen deutscher Streitkräfte: die "Innere Führung". Sie bindet den Soldaten an die Werte des Grundgesetzes, sieht ihn dabei aber nicht nur als Befehlsempfänger, sondern als Staatsbürger in Uniform. Mit denselben Rechten wie jedermann, aber eben auch mit entsprechenden Pflichten.
Vor dem Hintergrund der kürzlich modifizierten Zentralen
Dienstvorschrift 10/1 "Innere Führung" lud der Wehrbeauftragte
des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, am 21. April 2008 etwa
20 Soldatinnen und Soldaten aller Teilstreitkräfte zu einer
Informationstagung nach Berlin ein. Wie aktuell das Thema ist,
zeigte die angeregte Diskussion aller Beteiligten über ihre
ganz persönlichen Erfahrungen aus dem Truppenalltag.
Innere Führung - was steht dahinter?
Es gibt keine Definition des Begriffs der "Inneren Führung". Doch lässt sich vieles, was die Bundeswehr im Inneren zusammenhält, darunter fassen. Es geht um die Legitimation des soldatischen Dienstes, um Motivation, um die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft und um die Gestaltung des inneren Gefüges der Streitkräfte. Praktisch geht es dabei um politische Bildung, Fürsorge, Betreuung, Ausbildung, Vereinbarkeit von Familie und Dienst, um Recht und soldatische Ordnung - vor allem jedoch geht es um Menschenführung.
Wie aber steht es darum in der Bundeswehr, in einer zunehmend
auf Auslandseinsätze ausgerichteten Armee? Wie ist der
Anspruch, wie die Wirklichkeit? Diese Fragen versuchte eine
abendliche Podiumsdiskussion zu klären, die gleichsam den
Höhepunkt der Informationstagung bildete. Auf dem Podium
diskutierten der Wehrbeauftragte, der Generalinspekteur der
Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, der Vorsitzende des
Beirates Innere Führung und Hochschulprofessor, Dr. Reiner
Pommerin, Hauke Moje von Roland Berger Strategy Consultants und
Christofer Teschke, Oberleutnant im Kommando Strategische
Aufklärung. Auch das Auditorium war mit Persönlichkeiten
aus Gesellschaft, Politik und Militär hochkarätig
besetzt.
Menschenführung zum Nulltarif
So weit wie sich der Begriff "Innere Führung" fassen lässt, so weit war auch das Spektrum der Meinungen. Die Aussage des Generalinspekteurs, nicht jedes Problem in der Truppe sei auf fehlendes Geld zurückzuführen, denn Menschenführung beispielsweise gäbe es zum Nulltarif, wurde kontrovers diskutiert. Oftmals mangle es den Vorgesetzten schon allein an Zeit, sich der einzelnen Soldaten anzunehmen, hieß es. Zeit, die durch Überregulierung, Meldezwänge und Bürokratie verloren gehe.
Einigkeit indes bestand darüber, dass es längst überfällig war, die Wirklichkeit 2008, sprich die Bundeswehr als Armee im weltweiten Einsatz, auch in einem neuen Handlungsleitfaden zu reflektieren. Die Herausforderungen an die Streitkräfte sind heute andere als noch vor 15 Jahren. Die Auftragslage ist sehr viel komplexer. Diesen veränderten Umständen versucht die neue Zentrale Dienstvorschrift 10/1 Rechnung zu tragen.