In wohl kaum einem anderen Land haben Untersuchungsausschüsse eine derart politische Bedeutung erlangt wie in Schleswig-Holstein. 1988 trug ein solches Gremium bei der Aufklärung der Barschel-Affäre ganz wesentlich zum Ende der bis dahin 37-jährigen CDU-Herrschaft im Norden bei. Über die Enthüllungen im "Schubladen-Ausschuss" stürzte fünf Jahre später mit Björn Engholm nicht nur der Ministerpräsident, sondern auch der Hoffnungsträger der Bundes-SPD.
Seit anderthalb Jahren tagt wieder ein Untersuchungsausschuss an der Kieler Förde. Mit dem Rücktritt des Staatskanzlei-Chefs und Simonis-Vertrauten Klaus Gärtner fand auch die "Filz"-Affäre zwar schnell ein prominentes politisches Opfer. Wesentliche neue Erkenntnisse über die Hintergründe eines geplatzten Immobilien-Verkaufs brachte der Ausschuss seither aber nicht mehr ans Licht. Statt Sachverhalte aufzuklären, so urteilt der dänisch-orientierte Südschleswigsche Wählerverband SSW, gerät die Ausschussarbeit über weite Strecken zur politischen Schlammschlacht.
Aus diesen Erfahrungen wollte die nur drei Abgeordnete zählende SSW-Gruppe jetzt Konsequenzen ziehen. Im Landtag brachte sie einen bis dahin in Deutschland wohl einmaligen Antrag ein. Das Parlament möge feststellen, dass "Untersuchungsausschüsse kein geeignetes Instrument zur objektiven Aufklärung von Sachverhalten im unmittelbaren oder mittelbaren Verantwortungsbereich der Regierung sind". Einen Vorschlag, wie es statt dessen besser gemacht werden könnte, lieferte SSW-Gruppenchefin Anke Spoorendonk gleich mit:
"Wir sehen in unabhängigen Richteruntersuchungen eine gute Alternative zu Untersuchungsausschüssen." Im angelsächsischen Raum habe sich dieses Modell bei der Aufklärung politischer Skandale bestens bewährt. Die Kontrollrechte des Parlaments sieht Spoorendonk dabei nicht gefährdet: "Die Beauftragung der Untersuchung und auch die politische Bewertung der Ergebnisse stünden weiterhin der Legislative zu", argumentierte die Politikerin.
Ihre Mitstreiter im hohen Haus an Kieler Förde wollten von solchen Überlegungen allerdings nichts wissen. Noch nicht einmal zur weiteren Beratung in den Innenausschuss schaffte es der SSW-Antrag. Unisono schmetterten SPD, CDU, Grüne und FDP den Antrag im Landtag ab. Das Parlament habe sich damit selbst ein "Denkverbot" auferlegt, kommentierte das "Flensburger Tageblatt".
Dass es so kam, verwundert angesichts der voran gegangenen Debatte im Plenum. Die Grünen sprachen mit Hinblick auf den "Filz"-Untersuchungsausschuss von einer "Zeitverschleuderungsmaschine". Der SPD-Innenpolitiker Klaus-Peter Puls nannte das Gremium gar einen "Tummelplatz für Profilneurotiker, Hobbystaatsanwälte und schwarze Hilfssheriffs". In letzter Konsequenz mochte jedoch keine der Fraktionen auf das "politische Kampfinstrument" und "schärfste Schwert des Parlaments gegenüber der Regierung" verzichten.