Für Arbeitslose gibt es seit gut einem Jahr im Rahmen der Hartz-I- und Hartz-II-Gesetze die Mög-lichkeit, eine so genannte "Ich-AG" zu gründen. Umgekehrt sollen Unternehmen, die Jobs schaffen, über das Programm "Kapital für Arbeit" (Job-Floater) mit zinsgünstigen Krediten unterstützt werden. Die bisherige Bilanz der beiden Arbeitsmarktreformen sieht allerdings sehr unterschiedlich aus. Der Arbeitsmarkt bleibt die "größte Baustelle" (Bundeskanzler Schröder) der Bundesregierung.
Während 2003 bundesweit rund 83.000 Arbeitslose eine Ich-AG gründeten und dafür sorgten, dass sich in der Arbeitsmarktstatistik die Zahl der Selbständigen um 1,3 Prozent auf fast 4,2 Millionen Personen erhöhte, ist das Programm "Kapital für Arbeit" ein Flop: Im ersten Jahr haben darüber nur 11.214 Arbeitslose einen Job bei kleinen und mittelständischen Firmen gefunden. Diese Arbeitsplätze wurden mit einem Kreditvolumen von stolzen 785 Millionen Euro gefördert, berichtet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Trotz solchen Kapitaleinsatzes blieb die Initiative weit hinter den Erwartungen zurück. "Wirkungslos", urteilt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Bundeswirtschaftminister Wolfgang Clement (SPD) hatte noch 2002 auf mindestens 50.000 neue Stellen durch "Kapital für Arbeit" gehofft.
Jetzt soll bei den Vergaberichtlinien des Programms nachgebessert werden: Bisher bekommen Klein- und Mittelbetriebe, die Arbeitslose einstellen pro Kopf bis zu 100.000 Euro zinsverbilligte Darlehen. Die Laufzeit des Kredits beträgt zehn Jahre. Dies nun soll nun auch möglich sein, wenn sie nicht - wie bisher vorgeschrieben - mindestens einen vom Arbeitsamt vermittelten Arbeitslosen einstellen. Künftig sollen für die günstigen Kredite ganz allgemein Investitionen mit beschäftigungsfördernder Wirkung ausreichen.
De facto wird "Kapital für Arbeit" damit abgeschafft und in ein Mittelstandsförderprogramm mit dem Titel "Unternehmerkapital" umgebaut. Das Ziel des Programms bleibt zwar der Abbau der Arbeitslosigkeit, es führt aber vor allem zu einer Stärkung der Kapital-Basis der Mittelständler. Eine naheliegende Idee, denn die Eigenkapitalausstattung ist in Deutschland im internationalen Vergleich sehr niedrig. Die Kredite, die die KfW über die jeweiligen Hausbanken an die Unter-nehmen zur Beschäftigungsförderung vergibt, bestehen zur einen Hälfte aus Fremdkapital, also einem klassischen Förderkredit, und zur anderen Hälfte aus "Mezzanine-Kapital", das wie Eigenkapital behandelt wird.
Nach Ansicht des FDP-Arbeitsmarktexperten Dirk Niebel wird dadurch aber nicht wirklich etwas besser: "Die Unternehmen brauchen eine Steuerstrukturreform, um Arbeitsplätze schaffen zu können. Es ist doch unsinnig, ihnen das Eigenkapital erst über Steuern wegzunehmen und dann per Subvention teilweise zurückzuerstatten."
Deutlich mehr Erfolg als "Kapital für Arbeit" kann das Programm der "Ich-AGs" verbuchen, auch wenn der Begriff zum "Unwort des Jahres" gekürt wurde.
Das Konzept: Jeder der Arbeitslosengeld oder -hilfe bezieht oder in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme tätig ist, kann Unterstützung für den Schritt in die Selbständigkeit beim Arbeitsamt beantragen. Bei freien Berufen wie etwa Journalist oder Grafik-Designer genügt eine Bescheinigung des Finanzamts. Bei gewerblichen Jobs, etwa einem Kurierdienstleister, reicht die Vorlage eines Gewerbescheins. Die Existenzgründer müssen für die finanzielle Förderung zwar keinen ausgearbeiteten Business-Plan beim Arbeitsamt vorlegen, aber eine gut überlegte und ausformulierte Geschäftsidee ist hilfreich und erleichtert die Genehmigung zur Ich-AG. Mut und Einsatz gehören sicherlich dazu, denn bei der Ich-AG haftet der Einzelunternehmer persönlich. Er kann keine Verluste oder Verbindlichkeiten auf Aktionäre abwälzen, sondern muss selbst dafür gerade stehen.
Die Förderung läuft drei Jahre lang. Im ersten Jahr gibt es monatlich 600 Euro, im zweiten Jahr 360 Euro und im dritten Jahr schießt Vater Staat noch 240 Euro zu. Vom ersten Tag an zahlen die Existenzgründer niedrige Beiträge für die Rentenversicherung, etwa 230 Euro jährlich. Zusätzlich haben sie bei der Kranken- und Pflegeversicherung einen enormen Vorteil: Sie werden einfach auf der Basis eines fiktiven Bruttoeinkommens von 1.190 Euro eingestuft.
Aufpassen muss nur, wer mit seiner Ich-AG im Jahr mehr als 25.000 Euro Gewinn erwirtschaftet. Dann muss zwar kein Fördergeld zurückgezahlt werden, es gibt aber im folgenden Jahr kein Geld mehr vom Ar-beitsamt.
So erfolgreich sich die Anzahl der Ich-AGs nach einem Jahr entwickelt hat, es bleibt eine Grundkritik: "Ich fürchte, langfristig ist dabei ein für den Beitrags-zahler beschäftigungspolitisches Strohfeuer zu erwar-ten", sagt Hanns-Eberhard Schleyer vom Zentralver-band des Deutschen Handwerks (ZDH). "Denn es muss kein von fachkundiger Seite geprüfter tragfähiger Geschäftsplan vorgelegt werden." Es sei fraglich, wie lange die meisten der Ich-AGs überleben, zumal das Fördergeld im zweiten und dritten Jahr deutlich sinkt.
Dirk Niebel hält wenig von den Ich-AGs. "Die Tatsache, dass man für die Gründung einer Ich-AG keine Voraussetzungen mitbringen muss, ist zwar ein gut ge-meinter liberaler Ansatz mit wenig Bürokratie, aber die Verbleibsquote dürfte genau deshalb nicht sehr hoch ausfallen", so Niebel. "Letztlich geht es hier nicht um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, sondern um ein kurzfristiges Ziel: Rein in die subventionierte Selbständigkeit, raus aus der Arbeitslosenstatistik."
Rot-Grün will nun nachbessern: Ich-AG-Kandidaten sollen künftig die Teilnahme an betriebswirtschaftlichen Weiterbildungsmaßnahmen nachweisen. Klaus Brandner, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion erklärt: "Die Gründer müssen das erste Jahr der Selbständigkeit, in dem sie finanziell massiv unterstützt werden, dazu nutzen, ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse zu vertiefen." Dazu sollten die Bundesagentur für Arbeit als auch private Träger Bildungsbausteine entwickeln. "Denn gerade kleine und mittelständische Unternehmen scheitern oft an fehlender betriebswirtschaftlicher Sachkenntnis", so Brandner.
Er schlägt vor, die Regelungen des so genannten Überbrückungsgelds auf die Ich-AGs zu übertragen - zunächst für ein Jahr auf freiwilliger Basis. Das Überbrückungsgeld ist ein älteres Instrument zur Förderung von Existenzgründungen. Hier müssen Existenzgründer, die zuvor arbeitslos waren, ein Gutachten der Industrie- und Handelskammer über ihre Geschäftsidee vorlegen. Ein Verfahren, das sich offenbar bewährt hat: Auch nach drei Jahren sind noch 70 Prozent der jungen Firmen auf dem Markt.
Allein im vergangenen Jahr nutzen über 130.000 Existenzgründer die Möglichkeit, Überbrückungsgeld zu erhalten. Wer in den Genuss von Überbrückungsgeld kommen will, muss zunächst eine erfolgversprechende und nachprüfbare Geschäftsidee vorlegen. Das Geld wird direkt ab Beginn der Arbeitslosigkeit ein halbes Jahr lang monatlich gezahlt. Die Höhe richtet sich nach dem Arbeitslosengeld oder der Arbeitslosenhilfe, die ohne den Schritt in die Selbständigkeit vom Amt bezahlt werden müsste. Dazu kommt für Bezieher von Arbeitslosengeld ein Zuschlag in Höhe von 68,5 Prozent und bei Arbeitslosenhilfe immerhin noch 42,3 Prozent. Wer beispielsweise Anspruch auf 1.500 Euro Arbeitslosengeld hat, erhält sechs Monate lang mehr als 2.500 Euro Überbrückungsgeld monatlich. Die Rentenversicherung ist freiwillig, für die Kranken- und Pflegeversicherung wird ein Bruttoeinkommen von 1.785 zugrunde gelegt.
Überbrückungsgeld oder Ich-AG - welcher Weg in die Selbständigkeit ist denn nun der richtige? Bei ei-nem Anspruch auf hohes Arbeitslosengeld zusammen mit einer ausgereiften Geschäftsidee ist das Überbrückungsgeld die bessere Variante. Wenig Arbeitslosenunterstützung und geringe Investitionen sprechen eher für die Ich-AG. Spannend bleibt die Frage, wie viele der neuen Selbständigen durchhalten. Das dürfte nicht unwesentlich davon abhängen, wie sich die Konjunktur entwickelt. Denn egal, wie man den phantasievollen Gründern den Start erleichtert: Klappen kann es nur, wenn es für sie auch genügend Aufträge gibt.
Eva Haacke ist Korrespondentin der "WirtschaftsWoche" in Berlin.