Aus Sicht von Ministerin Künast hingegen würden mit diesem "umfassenden Paket" sowohl Verbraucher- als auch Produzenteninteressen im Zusammenhang mit dem Einsatz der Gentechnik geschützt. Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung die Richtlinie der EU vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt in innerstaatliches Recht umsetzen. Diese so genannte Freisetzungsrichtlinie regele die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen zu Erprobungs- und Forschungszwecken sowie deren In-Verkehr-Bringen. Darüber hinaus eröffne die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten zu verhindern. Damit solle die Koexistenz von konventioneller, ökologischer und die Gentechnik nutzender Landwirtschaft gewährleistet werden. Gleichzeitig würden aber auch Haftungsfragen geregelt. Zivilrechtliche Abwehr und Ausgleichsansprüche sollen dann geltend gemacht werden können, wenn durch ungewollte Auskreuzungen zum Beispiel Vermögensschäden für gentechnikfreie Erzeugnisse entstünden. Wenn nicht geklärt werden könne, wer den Schaden verursacht habe, sollen alle in Betracht kommenden Verursacher gesamtschuldnerisch haften.
Für Ministerpräsident Christian Wulff ist insbesondere diese Regelungen nicht akzeptabel. Dies sei, als würde bei einem Verkehrsunfall, bei dem der Verursacher nicht zu ermitteln sei, derjenige für den Schaden haftbar gemacht, der gerade in der Nähe gewesen sei - unabhängig davon, ob er sich rechtstreu verhalten habe oder nicht. Die unionsregierten Länder hätten einen eigenen Vorschlag zur Haftungs gemacht. Danach solle ein Entschädigungsfond gegründet werden, der bei nichtklärbarer Verantwortlichkeit den Schaden ersetze.
Abgesehen von den ungeklärten Haftungsfragen führten die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zu einer Überreglementierung. So seien die vorgesehenen zusätzlichen 16 Länderregister unsinnig und der besondere Sachkundenachweis beim Umgang mit gentechnisch verändertem Saat- und Erntegut sowie Pflanzmaterial nicht erforderlich. Bei den EU-Vorlagen gehe es um Schutz und Chancen der Gentechnik, sagte Wulff, bei der Umsetzung von Frau Künast kämen die Chancen jedoch gar nicht vor. Dies sei besonders bedauerlich, da die Gentechnik enorme Bedeutung für den Welt-Agrarmarkt habe - die deutsche Landwirtschaft in dieser Hinsicht jedoch unterentwickelt sei.
Mit der "Überreglementierung und Überbürokratisierung" werde die grüne Gentechnik behindert, sagte Bayerns Umweltminister Schnappauf. Die Europäische Union habe Grundsätze erlassen, die schon sehr streng seien. Es mache daher keinen Sinn, im Alleingang diese noch zu verschärfen, so Schnappauf. Auch die Bundesverbraucherministerin müsse erkennen, dass die Gentechnik in Europa angekommen sei. Die Grundsatzdiskussion sei längst beendet, wandte er sich an Künast, es bedürfe statt "Rückzugsgefechten" von Gegnern dieser Regelung, sinnvoller Maßnahmen, um die Gleichberechtigung von konventioneller, ökologischer und Gentechnik nutzender Landwirtschaft herzustellen. Auch Schnappauf sprach sich für die Schaffung eines Entschädigungsfonds aus. Einzahlen sollten in diesen Fonds alle Wirtschaftsbeteiligten, die einen Nutzen aus dem Anbau gentechnisch veränderter Organismen hätten, sowie der Bund.
Der Entschädigungsfond sei ein interessanter Gedanke, nahm Ministerin Künast den Faden auf. Sie frage sich allerdings, wo der Beitrag der Länder bleibe. "Ich bezahle das nicht!" stellte sie klar und verwies darauf, dass 70 Prozent der Verbraucher und der Bauern die Gentechnik ablehnten. Viel zu kurz sei ihr die Frage der Kennzeichnungspflicht gekommen. Nur damit gebe es eine wirkliche Wahlfreiheit für die Verbraucher, aber auch für die Bauern, die nur dann genau wüssten, ob in ihren Futtermitteln gentechnisch veränderte Stoffe enthalten sind. Künast warf den unionsregierten Ländern eine "Verzögerungstaktik" vor. So werde verhindert, dass mit Beginn der Kennzeichnungspflicht am 18. April 2004 auch Strafen gegen Verstöße greifen könnten. Der Gesetzentwurf sehe Strafgelder bis zu 50.000 Euro und in Einzelfällen fünf Jahre Haft vor. Durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses ergäbe sich bei der Umsetzung eine Verzögerung von zwei bis drei Monaten.