Mehr als 90 Prozent unserer Nahrung stammte noch um 1950 von Äckern, Feldern, Wiesen, Weiden und Weinbergen, die in der direkten Umgebung der Wohnorte lagen. Das hat sich tiefgreifend geändert. Heute arbeiten nur noch wenige Menschen in der Landwirtschaft, und so sind viele Bezüge zur Feldflur verloren gegangen. Die Erzeugung unserer Nahrungsmittel ist so anonym geworden, wie die vielen flurbereinigten Ackerflächen, wo es kaum mehr Verstecke, Ruheplätze, Pflanzensamen und Wildkräuternahrung für Rebhuhn und Feldhase gibt.
Mit der Zeit werden viele Lebensmittelbestandteile für die Industrieproduktion uninteressant. Der Umgang mit ihnen, das Wissen um ihre Beschaffenheit und ihre Funktion im Haushalt der Kulturlandschaft geraten in Vergessenheit. Landschaften werden eintöniger, genau wie das Essen der Fastfood-Zeit - ein Verlust mit unabsehbaren Folgen.
Eine kleine, aber wachsende Gemeinschaft kämpft gegen diese Entwicklung an. Ihre Aktivitäten gewinnen vor dem Hintergrund des zunehmenden Naturverlustes und der immer wiederkehrenden Lebensmittelskandale an Bedeutung. Gerade die Feinschmecker helfen, die vom Aussterben bedrohten Zutaten aus der Natur ebenso zu erhalten wie unsere Sinne für geschmackliche Vielfalt. Es sind genussfreudige Naturschützer, die erkennen, dass Vielfalt auf der Speisekarte mithilft, der wachsenden Eintönigkeit in unseren Landschaften Einhalt zu gebieten.
Die unterschiedlichsten Landschaftsformen sind im Lauf der Jahrtausende durch menschliche Nutzung entstanden, darunter die Streuobstwiesen durch die Züchtung und Anpflanzung verschiedenster Obstsorten. Was wir brauchen, ist ein neuer Bezug zu unseren Lebensmitteln, zur Vielfalt und Frische beim Essen und zu den Landschaften, die uns Naturgenuss, Gaumenfreuden und Lebensqualität bescheren. Es gilt, die vielfachen Zusammenhänge zwischen Landschaft und Küche, zwischen Lebensmittelqualität und Genuss, zwischen Kultur und Natur wieder zu entdecken. Zudem hat das Ganze auch viel mit regionaler Identität zu tun. Jede Region hat ihren eigenen Reiz, ihre eigene natürliche Ausstattung und ihre besondere Kultur. Daraus erwuchs auch die jeweils typische Küche.
Wir brauchen Landwirte, die offen sind für scheinbar Neues; dieses wird sich rasch als das Wiederaufgreifen bewährter, aber zeitweilig vergessener Methoden der Feldbewirtschaftung entpuppen. Darin steckt ein Trend, den es zu fördern gilt. Die Nachfrage vieler Feinschmecker nach Zutaten gemäß dieser Strategie unterstützt die Erzeuger. Letztere können das verdiente Geld wieder in die Pflege einer vielfältigen Kulturlandschaft stecken, in der Wildtiere und -pflanzen ihren Platz haben. Wenn etwa die Lufthansa an Bord zunehmend biologisch erzeugte Produkte anbietet, zeigt dies, dass diese Strategie nicht nur eine Idee einiger weniger Feinschmecker und Naturliebhaber ist.
Gourmets wissen schon lange, dass eine naturbezogene Küche größte Frische und höchsten Essensgenuss garantiert. In diesem Sinne schult etwa die Umweltakademie Baden-Württemberg zusammen mit der Vereinigung der Spitzenköche Lehrerinnen und Lehrer sowie Kindergärtnerinnen als Multiplikatoren für gesundes Essen und gesunde Landschaften.