Das iranische Atomprogramm ist beinahe schon so alt wie die Atomwaffe selbst. Wobei die Geschichte darauf hin deutet, dass zumindest zu Beginn friedliche Ziele im Vordergrund gestanden haben. 1957 vereinbarten der Iran und die USA zunächst im Rahmen des Programms "Atom für den Frieden", beim Aufbau eines friedlichen Atomprogramms zusammenzuarbeiten. Wissenschaftler beider Länder wollten gemeinsam die Möglichkeiten der zivilen Nutzung erforschen. Die USA stellten dazu mehrere Kilogramm angereichertes Uran zur Verfügung; 1969 wurde das Abkommen um zehn Jahre verlängert. 1968 entstand unter dem Eindruck des Kalten Krieges der Atomwaffensperrvertrag. Der Iran gehörte zu den ersten Unterzeichnerstaaten.
Im Mai 1974, sprach der Vorsitzende der US-Atomenergiekommission Dr. Dixy Lee Ray bei einem Besuch im Iran zum ersten Mal von der Möglichkeit, im Mittleren Osten eine regionale Anlage für die Wiederaufarbeitung von Atommüll zu errichten. Spätestens damit wären die Iraner aber auch in die Lage versetzt worden, Atomwaffen herzustellen. Eine solche Anlage reichert Uran an, das dann sowohl für Kernkraftwerke als auch für Kernwaffen verwendet werden kann. Die USA waren damals anscheinend bereit, das Risiko zu akzeptieren. Ab 1975 mehrten sich allerdings Zweifel in Bezug auf die Urananreicherungspläne. Der Schah selbst erklärte am 8. Februar 1975, dass sein Land zwar nicht die Absicht habe, Nuklearwaffen zu erwerben, aber wenn kleine Länder beginnen würden, sie zu bauen, müsse man seine Politik überdenken. Auch die Geheimdienste hatten damals Hinweise darauf, dass der Iran heimlich versuchte, Atomwaffen zu bauen. Als 1979 die Islamische Revolution das westlich orientierte System des Schahs stürzte, wurden alle Atomprojekte, darunter der Bau von mehreren Atomkraftwerken, gestoppt. In den Folgejahren konnte der Iran, nicht zuletzt mit Hilfe Pakistans, Indiens, Chinas oder Russlands an seinem Atomprogramm festhalten.
Mittlerweile ist die Sorge, der Iran könnte mit diesem Programm nicht nur friedliche Absichten verfolgen, größer denn je, und das hängt auch mit der Haltung Irans zu den Untersuchungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zusammen. Seit rund zwei Jahren beobachten die Inspektoren der in Wien ansässigen UN-Behörde nun bereits das von einer radikal-islamischen Regierung geführte Land. Mitte des Jahres 2002 hatte eine Gruppe von Exil-Iranern erstmals die Existenz einer Urananreicherungsanlage in der Nähe von Natanz und eines Schwerwasserreaktors in Arak enthüllt. Beides, erklärt die iranische Regierung, diene ausschließlich zivilen Zwecken. In beiden Anlagen lässt sich allerdings auch waffenfähiges Atommaterial erzeugen. Aufgeschreckt durch die Tatsache, dass der Iran die Weltgemeinschaft nicht freiwillig über die Anlagen informierte, führte die IAEO weitere Untersuchungen durch. Dabei fanden Inspektoren in den in Natanz benutzten Zentrifugenteilen Spuren von hochangereichertem, also waffenfähigem Uran. Für die zivile Nutzung in Kernkraftwerken wird aber nur niedrig angereichertes Material gebraucht. Der Widerspruch wurde bis heute nicht geklärt. Es ist eine der Fragen, um die es auch bei der jüngsten Sitzung der Internationalen Atomenergiebehörde ging.
Verdächtig macht sich der Iran vor allem deshalb, weil sich die Regierung in Teheran bei der Aufklärung dieser Fragen bisher nicht sonderlich kooperativ zeigte. Die Salami-Taktik ähnelt dem Versteckspiel, das der Irak jahrelang mit den Waffeninspektoren der Vereinten Nationen getrieben hat: Alles was die IAEO schon weiß, gibt der Iran offen zu. Alles andere verschweigt die Regierung so lange, bis die Behörde Beweise für neue Tatsachen findet. Der Generaldirektor der IAEO, Mohamed El-Baradei, stellte der Generalversammlung der Vereinten Nationen bei ihrem letzten Treffen Anfang Juni 2004 diese Verzögerungstaktik der iranischen Regierung zum P-2-Zentrifugenprogramm in allen Einzelheiten dar. "Zweifellos ist dieses Verhaltensmuster weniger als zufrieden stellend", so El-Baradei, "sollte es die Absicht sein, Vertrauen zu gewinnen und der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass man den vollen Umfang seines Nuklearprogramms offen gelegt hat". Nach einem Jahr voller Schwierigkeiten, das die Inspektoren durchlebt hätten, müsse der Iran jetzt aktiv und vollkommen transparent handeln.
Was die Einschätzung des Falls Iran angeht, gibt es unterschiedliche Positionen innerhalb der UN-Behörde. Mohamed El-Baradei und mit ihm die meisten westlichen Staaten betonen, dass man den Iran nicht vorab verurteilen könne. Bei den aktuellen Untersuchungen gehe es ja gerade darum, herauszufinden, was hinter den iranischen Forschungsaktivitäten steckt. Die US-Regierung dagegen scheint ihr Urteil schon gefällt zu haben. So erklärte John Bolton, Unterstaatssekretär im Außenministerium, der Nachrichtenagentur Reuters: "Für mich scheint es völlig offensichtlich, dass der Iran nicht Komponenten für Uranzentrifugen baut, um sie als Trödel in iranische Wohnzimmer zu stellen." Damit fordere der Iran die IAEO heraus. Er beleidige die internationale Staatengemeinschaft. Die USA hätten ohnehin nicht geglaubt, dass der Iran die Herstellung der Bauteile eingestellt habe.
Nicht nur der Iran vermutet hinter dieser scharfen Kritik der USA politische Absichten. Allzu deutlich sind die Parallelen zum Fall Irak. Auch da hatte die amerikanische Regierung das Ergebnis der UN-Untersuchung nicht abgewartet, sondern mit dem Hinweis auf Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen den Krieg begonnen. Die Sprecherin der IAEO, Melissa Fleming, erinnert: "Das Inspektorenteam war mitten bei der Arbeit. Wir hatten das Gefühl, dass wir dabei waren, die Wahrheit herauszufinden, und dass wir voreilig aufgefordert wurden zu gehen." Ihre Organisation habe keine Anzeichen für ein Nuklearprogramm im Irak gesehen. "Es hätte keine Rechtfertigung für den Krieg sein dürfen." Beim Iran werden die USA vermutlich nicht so weit gehen und einen Krieg beginnen, obwohl George W. Bush das islamische Land ebenfalls zur "Achse des Bösen" zählt. Der Druck soll eher den inneren Wandel beschleunigen.
Der Iran ist innenpolitisch in mehrere Lager gespalten. Die geistliche Führungsspitze kontrolliert alle Schaltstellen der Macht. Sie regiert das Land streng nach islamischen Regeln. Die Reformer dagegen wollen langfristig ein weltlicheres System etablieren. Unterstützt werden sie von Tausenden junger Leute. Es sind Frauen, die jeden Tag in Teheran oder Shiraz ihr Maß an Freiheit daran messen, wie weit sie ihr Kopftuch sinken lassen können und wie gut ihr Umhang die Figur betont. Frauen wie Männer schauen Satellitenfernsehen und nutzen Internet und Telekommunikationseinrichtungen, die sich staatlich nur begrenzt kontrollieren lassen, obwohl es verboten ist.
Viele Iraner erhoffen sich zwar Reformen, doch eine Revolution will niemand. Selbst die jungen Leute können sich noch zu gut an die Islamische Revolution und ihre Folgen erinnern. Die Menschen hoffen auf einen allmählichen Wandel. Nach der Umfrage eines iranischen Sozialwissenschaftlers wünschen sich beispielsweise rund 70 Prozent der Bevölkerung die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit den USA. Einige Wissenschaftler warnen daher umgekehrt sogar davor, gerade die Isolation in Atomfragen könnte diesen langsamen, aber stetigen Reformprozess im Iran stören. An dem umstrittenen Programm hängt auch die Energiefrage des Landes. Und ohne genügend Energie kann sich das dynamische Land nicht weiter entwickeln. Auch Irans Präsident Khatami macht deutlich: Ohne Elektrizität keine wirtschaftliche Entwicklung. Nicht zuletzt deshalb betont der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, Mohammed El-Baradei. "Der Ball befindet sich jetzt im Spielfeld der Iraner. Der Iran sollte das Ganze als Zeichen verstehen, die Beschaffenheit der Aktivitäten aufzuklären und den Namen reinzuwaschen."