In einer Dringlichkeitsdebatte hat sich das Europäische Parlament dafür ausgesprochen, dass die EU den Wiederaufbau des Irak und seine Wiedereingliederung in die internationale Gemeinschaft als souveräner Partner wirkungsvoll unterstützen soll. Damit stellen sich die Europaabgeordneten trotz der ständigen Terroranschläge, der Morde und Entführungen im Irak hinter die mittelfristige Strategie der EU-Kommission, deren Grundsätze sowohl für die Union als auch für die Mitgliedstaaten entwickelt wurden. Die Europäische Union hat bereits für dieses Jahr 200 Millionen Euro an Hilfen zugesagt, im kommenden Jahr soll eine weitere Tranche von mindestens 200 Millionen zur Verfügung gestellt werden.
Als amtierender EU-Ratspräsident möchte der niederländische Außenminister Bernard Bot vorrangig den Aufbau des Schulsystems fördern, das Polizeiwesen stärken sowie die Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten unterstützen. Angesichts der anhaltenden Kämpfe und der täglichen, hohen Zahl an Opfern äußerte Bot die Hoffnung auf eine baldige Besserung der Sicherheitslage, damit die Wahlen korrekt durchgeführt werden könnten. Zugleich rief Ratspräsident Bot beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu noch größerer Zusammenarbeit innerhalb der EU auf. Notwendig seien ein besserer Informationsaustausch und das Austrocknen der Finanzströme des Terrors. Der Kampf erfordere zudem eine weltweite Vorgehensweise. Die EU werde ihre Kontakte zu den Ländern der Dritten Welt verstärken.
Gedämpft wurden allerdings die Erwartungen an die Entsendung einer Wahlbeobachterkommission zu dem für Januar geplanten Urnengang. Die Tätigkeit offizieller internationaler Wahlbeobachter-Kommissionen sei unmöglich, sagte EU-Außenkommissar Chris Patten. Langfristig sei aber zu überlegen, wie zumindest die EU-Kommission vor Ort vertreten sein könne.
In der Aussprache wurde von zahlreichen Sprechern erneut scharfe Kritik an der Politik der USA geübt. Der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses, Elmar Brok, warnte vor einem großen Krieg zwischen den Kulturen, der unbedingt verhindert werden müsse. Leider habe der Westen durch die Folterungen im Irak und in Guantanamo seine moralische Integrität verloren. Unakzeptabel sei aber auch die Haltung von UN-Generalsekretär Kofi Annan, der als Vorbedingung für eine Präsenz der UNO im Irak eine ausreichende Sicherheitslage verlange.
Für die SPE kritisierte der italienische Abgeordnete d'Alema erneut, dass die USA den Kampf gegen den Terrorismus auf falsche Weise führten. Dadurch werde der Terrorismus nur gestärkt. Deshalb sprach sich auch d'Alema für den Austausch der amerikanischen durch Kontingente der Vereinten Nationen aus.
In einer gemeinsamen, von den großen Fraktionen eingebrachten Entschließung hat das Europäische Parlament erneut alle Terroranschläge gegen Angehörige der Zivilbevölkerung, religiöse Minderheiten, die Polizei und Soldaten der multinationalen Truppe und die noch immer ungesühnten grausamen Morde scharf verurteilt. Zugleich bekräftigten die Abgeordneten die Absicht der EU, weiterhin politische Unterstützung für den Übergang und die Rückgabe der politischen Macht an den Irak und die Iraker zu leisten. Dabei sollte die UNO eine führende Rolle spielen. Allerdings gehen die Vereinten Nationen selbst davon aus, dass die notwendigen Bedingungen (noch) nicht gegeben sind, um die entscheidende Rolle bei der Demokratisierung des Landes zu spielen. Die Union wird aufgefordert, ihre Hilfe und ihr Know-how für den Entwurf einer neuen irakischen Verfassung bereitzustellen, welche die Achtung der Rechtstaatlichkeit und der territorialen Integrität des Landes gewährleistet.
Die im Juni neu gewählten 732 Abgeordneten aus nun 25 Ländern begrüßen, dass im Januar 2005 Wahlen zum Übergangsparlament stattfinden sollen. Begrüßt wird auch die Entscheidung der NATO, beim Gipfeltreffen in Istanbul Ende Juni, der irakischen Regierung Hilfe bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte anzubieten und die im Entstehen begriffenen irakischen Sicherheitsorgane zu unterstützen.
Das Parlament unterstützt den Vorschlag der EU-Kommission, im Jahr 2005 200 Millionen Euro zusätzlich zu den Beiträgen der Einzelstaaten für den Wiederaufbau im Irak bereitzustellen. Es bekräftigt, dass die Ölreserven sowie die anderen natürlichen Ressourcen des Landes vollständig und unabhängig vom irakischen Staat verwaltet werden müssen. H. H.