In den vergangenen Jahrzehnten investierten der Bund, die Länder und die Europäische Union Milliarden in die Förderung von strukturschwachen Regionen. Eine Studie belegt nun den zweifelhaften Erfolg dieser Bemühungen.
Der Zwiebackhersteller Brandt war über Jahrzehnte eng mit der Geschichte Hagens verbunden, und so ahnte 1999 niemand, was auf die Stadt zukommen sollte. Seinerzeit stand bei dem Unternehmen der Ausbau der Fabrikationsanlagen an. Über 100 Jahre wurde in Hagen Zwieback gebacken - nun schreckte eine Nachricht die Stadt am Südrand des Ruhrgebiets auf: Brandt hatte beschlossen, nicht in die Hagener Fabrik zu investieren, sondern in ein neues Werk im thüringischen Ohrdruf. Der Grund: Fördermittel. 13 Millionen bot Ohrdruf Brandt, Hagen konnte nur sieben Millionen Euro mobilisieren. Zu wenig. 350 Menschen verloren in Hagen ihren Arbeitsplatz, nur die Verwaltung blieb am alten Standort. Neue Arbeitsplätze sind mit den Fördermitteln unterm Strich indes nicht geschaffen worden. Im Gegenteil: Die neue Fabrik ermöglichte die Produktion des kantigen Back-werks mit noch weniger Mitarbeitern als in Hagen. Ganze 180 sind dort noch beschäftigt.
Für die Wirtschaftswissenschaftler Hans-Friedrich Eckey und Reinhold Kosfeld aus Kassel ist das Hagener Beispiel keine Überraschung, sondern das übliche Ergebnis von Strukturförderung. "Regionaler Wirkungsgrad und räumliche Ausstrahlungseffekte der Investitionsförderung" heißt die Arbeit der beiden Ökonomen, mit der sie die Investitionsförderung in Deutschland untersuchen. Fast sechs Milliarden Euro wurden in Deutschland für dieses Förderinstrument zwischen 2000 und 2002 ausgegeben. Mit diesem Geld sollten in strukturschwachen Regionen Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden. In unterschiedlicher Höhe kam beinahe die Hälfte des Bundesgebietes in den Genuss dieser Mittel, besonders hoch waren sie natürlich in den neuen Ländern, dem wirtschaftlich noch immer schwächsten Teil des Landes.
Welche wirtschaftlichen Effekte lösten die Fördermittel aus? Die beiden Wissenschaftler untersuchten nicht nur die Ergebnisse der Investitionen in den Zielregionen, sondern auch in deren Umland. Beispielhaft taten sie dies für die Region Eisenach. Das Ergebnis: Die Investionsförderung bewirkt dort vor allem Standortentscheidungen von Unternehmen zugunsten der Förderregion. Statt neue Arbeitskräfte zu schaffen, verlagern Unternehmen ihren Produktionsstandort mitsamt den Jobs in die Region mit der attraktiven Förderung. "96 Prozent der Investitionsfördermittel bundesweit führen nur zur Verlagerung von Arbeitsplätzen", fasst Kosfeld die Ergebnisse der Arbeit zusammen. Lediglich vier Prozent der Mittel erreichten die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
In Modellrechnungen zeigen Eckey und Kosfeld die Effekte vier verschiedener Szenarien für alle Wirtschaftsregionen Deutschlands auf. Die Annahme des ersten Modells, in dem die Förderung der Region Eisenach um 100 Euro pro Einwohner reduziert ist, belegt mit seinen positiven Wirkungen auf die westlichen Nachbarregionen deutlich die These der Kasseler Ökonomen, dass die Förderung vor allem einen Verschiebeeffekt verursacht. Eine zweite Modellrechnung zeigt die Auswirkungen auf die Wirtschaftsregionen unter der Annahme, dass die Förderung gänzlich eingestellt wird: Für die gesamte Bundesrepublik wären die Auswirkungen kaum spürbar, wohl aber für die Förderregionen.
Da die beiden Wirtschaftswissenschaftler jedoch davon ausgingen, dass dieses Szenario politisch nicht gewollt ist, entwickelten sie zwei weitere Modellrechnungen: Ein Modell, bei dem die Investitionsförderung nur für die neuen Länder gelten würde, und eines, bei dem die Mittel für die Regionen allein nach dem Kriterium der relativen Armut unabhängig von ihrer geografischen Lage in Ost oder West zur Verfügung gestellt werden.
Bei aller wissenschaftlichen Zurückhaltung raten die Autoren zu der letzten Variante. "Es darf nicht mehr auf die Lage ankommen, sondern allein auf die Stärke oder Schwäche der Wirtschaftsstruktur", so Eckey, der auf Regionen wie Leipzig oder Dresden, die wirtschaftlich mittlerweile einige westdeutsche Regionen überholt haben, verweist.
Auch wenn die Invenstitionsförderungen bundesweit gesehen wirtschaftlich kaum positive Auswirkungen auf das Wachstum und die Zahl der Arbeitsplätze haben, seien sie jedoch in einem Punkt erfolgreich: Sie tragen dazu bei, die Unterschiede zwischen den wirtschaftlich starken und schwachen Regionen zu verringern. "Man kann nicht sagen, dass Investitionsförderung keinen Erfolg hat. Sie schafft nur, volkswirtschaftlich gesehen, keine zusätzlichen Jobs", so Kosfeld. "Allerdings leistet sie einen Beitrag zur Annäherung der Lebensverhältnisse in den verschiedenen Regionen Deutschlands, und das ist immerhin ein Verfassungsgebot." Stefan Laurin