Der 85. Geburtstag des früheren Bundeskanzlers war Anlass für den NDR, mit Helmut Schmidt ein längeres Interview zu führen. Wie so oft musste man Schmidt erst einmal etwas aus der Reserve locken, aber dann ist es doch ein gutes, ein intensives Gespräch geworden, das zu Recht in einem Hörbuch festgehalten wurde (den etwas auftrumpfenden Untertitel hätte wohl Schmidt nicht gemocht).
Schmidt rekurriert immer wieder auf die für ihn großen, in der deutschen Geschichte fast einmaligen Aufbauleistungen in Deutschland nach 1945, die in der Etablierung einer gefestigten Demokratie münden. Was heute so selbstverständlich erscheint, das hält er keineswegs für gefestigt und sicher, sondern sieht hier die ständige Aufgabe von Politik, aber auch von Wirtschaft und Bildung: Das Gespür, dass Demokratie vom Kompromiss lebt, dass zu Rechten im Sozialstaat auch Pflichten gehören, dass die Aussöhnung mit Frankreich Fundament für die Politik beider Länder ist, dass Europa und Amerika trotz vieler Unstimmigkeiten letztlich doch in einem Boot sitzen. Das klingt alles so allgemein, aber hört man Schmidt zu, wird man unwillkürlich vom Temperament und dem Realitätssinn gepackt. Bei solchen Passagen wünscht man sich, ein Verlag möge doch den scharfzüngigen Redner Helmut Schmidt im Bundestag als Hörbuch bringen; viele Reden, aggressiv, geistreich, ernsthaft, zupackend, waren und sind noch immer Sternstunden im deutschen Parlamentarismus.
Helmut Schmidt. Bilanz eines großen Staatsmannes.
Gespräch mit Joachim Knuth und Volker Herres.
Hoffmann und Campe Hörbücher, Hamburg 2004;
17,90 Euro