In Bayern sind die Weichen für einen Weg gestellt worden, der ein erhebliches Eindampfen der bisherigen Verwaltungsstruktur, den Abbau staatlicher Leistungen und das Ende der Neuverschuldung vorsieht. Die CSU-Landtagsfraktion hat bei ihrer Herbstklausur zum Ende der Sommerferien nach teils intensiven Diskussionen die von der Staatskanzlei konzipierten Gewaltoperationen gebilligt. Die Opposition meldet unterdessen schärfste Bedenken gegen die Maßnahmen an, die nach den Plänen von Staatskanzleichef Erwin Huber unter anderem den Abbau von 4.000 bis 5.000 Stellen bringen und jährlich zu Einsparungen von 300 Millionen Euro führen sollen.
Spektakulärste Punkte waren die weitgehende Abschaffung beziehungsweise die Einschränkung der 1948 im Freistaat eingeführten Lernmittelfreiheit, die die SPD notfalls über ein Volksbegehren erhalten will, und der radikale Umbau der bayerischen Polizei: Deren Apparat soll von vier auf drei Ebenen verschlankt werden, ein Modell, das auch Innenminister Günther Beckstein favorisiert hatte. Dabei werden die bestehenden sieben Polizeipräsidien und 35 Direktionen zu zehn Schutzbereichen verschmolzen.
Ursprüngliche Pläne, durch die Reform entfallende 600 Stellen zu streichen, wurden nach Protesten der Polizeigewerkschaften und aus der Fraktion insoweit korrigiert, als bis 2010 lediglich 180 Stellen kassiert werden, um mit der Mehrzahl der eingesparten Kräfte die Inspektionen zu verstärken. Die Beamten sollen "vom Schreibtisch auf die Straße" gebracht werden, sagte Fraktionschef Joachim Herrmann.
Den größten Wirbel bei Elternverbänden und Oppositionsparteien - und sogar innerhalb der eigenen Partei - hatte der Beschluss der CSU-Fraktion ausgelöst, wonach die Eltern ab dem Schuljahr 2005/2006 die Lernmittel für ihre Kinder selbst kaufen müssen. SPD-Fraktionschef Franz Maget kreidete Ministerpräsident Edmund Stoiber an, er habe mit diesem Schritt sein Versprechen gebrochen, bei der Bildung nicht zu sparen, und kündigte an, die SPD werde den Plänen notfalls auch mit außerparlamentarischen Mitteln entgegentreten. Im Landtag nannte er das CSU-Vorhaben einen "Anschlag auf ein soziales Grundrecht". Auf ihrer Klausur hatte die SPD-Fraktion die Sozialpolitik in den Mittelpunkt gestellt. Dabei trat sie für Umverteilungen und neue Strukturen ein, etwa den Ausbau der Kindertagesbetreuung statt der Auszahlung des bisherigen 150 Millionen Euro Landeserziehungsgeldes.
Der Einspareffekt durch die Abschaffung der Lernmittelfreiheit wurde mit gut 16 Millionen Euro pro Jahr angegeben. Fünf Millionen Euro sind im Haushalt eingeplant, um Haushalten mit mehr als zwei Kindern und Einkommensschwachen den Kauf von Lernmitteln zu erleichtern. Stoiber verwies darauf, dass Bayern nur dem Beispiel anderer Länder folge und dass die Schulwegkostenfreiheit erhalten bleibe. Gleichwohl ruderte Fraktionschef Herrmann wegen der breiten Protestwelle rasch wieder zurück. Er ließ zunächst offen, ob man nach dem "Tendenzbeschluss" auf der Klausur und weiteren Gesprächen mit den Interessenverbänden als Alternative ein Büchergeld erhebe. Tags darauf wurde diese Lösung zur aktuellen Beschlusslage der Fraktion. Das Büchergeld, das die Eltern zuschießen, soll zwischen 20 und 40 Euro betragen.
Wie die SPD wollen auch die Grünen gegen einen Wegfall der Lernmittelfreit "vehementen politischen Widerstand" leisten, wie Fraktionschefin Margarete Bause ankündigte. Die Grünen hatten sich auf ihrer Klausur nicht zuletzt mit Bildungsfragen befasst und verstärkte Anstrengungen verlangt. Dabei geht es der Fraktion um einen weiteren Ausbau frühkindlicher Betreuungsangebote, fließende Übergänge zwischen den Schularten und ein Ende der strikten Trennung von Kindergarten und Schule. Insbesondere müsse die gegenüber dem Gymnasium vernachlässigte Hauptschule aufgewertet werden. Inzwischen hat das bayerische Kabinett ein neues Kindertagesstättengesetz verabschiedet, das den konsequenten Ausbau der Kinderbetreuung zum Inhalt hat. Bis 2008 sollen 313 Millionen Euro in jährlich 1.000 neue Krippenplätze und 5.000 Hortplätze für Schulkinder investiert werden.
Gleichwohl will die Staatsregierung mit dem ehrgeizigen Projekt Stoibers glänzen, im Haushalt 2006 erstmals keine neuen Schulden mehr auszuweisen. Bayern setze mit diesen "epochalen Entscheidungen" Maßstäbe und sei damit "Vorbild für alle öffentlichen Haushalte in Deutschland", so der Ministerpräsident.
Über das Konzept für die zweite Stufe der Verwaltungsreform will die Fraktion im November entscheiden. Es sieht die Zusammenlegung und Bündelung von Behörden fast aller Sparten vor, wobei vor allem die künftigen Standorte der Verwaltung heiß umstritten sind. SPD und Grüne werfen der Staatsregierung Konzeptionslosigkeit bei der Reform vor und warnen vor einem Kaputtsparen Bayerns, das finanziell weit überdurchschnittlich gut dastehe.