Die Bundeswehr wird sich für ein weiteres Jahr am NATO-geführten ISAF-Einsatz in Afghanistan beteiligen. Der Bundestag billigte einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung (15/3710) am vergangenen Donnerstag in namentlicher Abstimmung. Für die Verlängerung des Engagements stimmten 509 Abgeordnete, 48 votierten dagegen und drei enthielten sich der Stimme.
Die Debatte stand unter dem Eindruck des Raketenangriffs auf das Bundeswehr-Lager in Kundus am Abend zuvor, bei dem drei deutsche und zwei Schweizer Soldaten verletzt worden waren. Ein schwer verletzter Oberfeldwebel ist nach einer Notoperation im Lazarett von Kundus zur weiteren medizinischen Behandlung nach Deutschland geflogen und in das Bundeswehrkrankenhaus nach Koblenz überführt worden.
Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) warben in der Debatte eindringlich für den Einsatz am Hindukusch. Der Angriff auf die ISAF bestätige die Einschätzung, so Struck, dass im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Afganistan am 9. Oktober, "diejenigen, die gegen eine demokratische Entwicklung in Afghanistan sind, massiv gegen diejenigen vorgehen werden, die diese demokratische Entwicklung mittragen und stützen". Struck betonte, dass es kein "Routineeinsatz" sei, über den das Parlament zu entscheiden habe, "sondern ein Einsatz, bei dem Soldaten gefährdet sind".
Kritik wurde aus den Reihen der Opposition vor allem an der mangelnden Bekämpfung des Drogenanbaus in Afganistan geübt. "Wir haben im Jahr 2003 eine Rekordernte von 3.600 Tonnen Rohopium gehabt; in diesem Jahr werden es wahrscheinlich 4.600 Tonnen sein", führte der Unionsabgeordnete Friedbert Pflüger an. "Politiker, Warlords, Personen, die jedenfalls indirekt durch die ISAF, durch unser Engegement, mit stabilisiert werden, verdienen daran. Das darf nicht so bleiben. Spätestens für die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen brauchen wir ein glaubwürdiges Konzept", forderte Pflüger. Die Bundeswehr verfügt derzeit über kein Mandat, um gegen den Drogenanbau vorzugehen.
Die FDP stimmt zwar dem Bundeswehr-Einsatz in Kabul zu, lehnt ihn aber für Kundus und Faisabad ab. "Dieser Einsatz ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Er birgt hohe Risiken in sich und bleibt für unsere Soldaten wegen der ungelösten, ja noch nicht einmal angepackten Drogenproblematik eine Mission Impossiple", bemängelte Werner Hoyer. Die Liberalen hatten deswegen beantragt ( 15/3712), die Missionen in Kabul einerseits und in Kundus und Faisabad andererseits zu trennen, und dem Parlament zwei seperate Anträge auf Mandatsverlängerung vorzulegen. Da der Antrag aber abgelehnt wurde, verweigerte die FDP-Fraktion - mit Ausnahme dreier Abgeordneter - der Mandatsverlängerung für Afghanistan wie schon im Vorjahr die Zustimmung. Auch acht Abgeordnete der CDU/CSU und die beiden Parlamentarierinnen der PDS stimmten gegen die Einsatzverlängerung.
Um Bundeswehrsoldaten im Einsatz zukünftig besser zu versichern, verbschiedete der Bundestag am gleichen Tag in zweiter und dritter Lesung einstimmig das so genannte "Einsatzversorgungsgesetz" ( 15/3416). Mit dem Gesetz wird der Begriff eines "Einsatzunfalls" eingeführt, der sich auf alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Auslandseinsatz erstreckt. Die einmalige Entschädigung für Hinterbliebene von Soldaten wird von 38.500 auf 60.000 Euro aufgestockt. Zudem werden bestimmte Leistungen, die bislang erst ab einer 80-prozentigen Minderung der Erwerbsfähigkeit gezahlt wurden, schon ab einer Grenze von 50 Prozent gewährt. Das Gesetz gilt rückwirkend zum 1. Dezember 2002. Damit kommen auch die Hinterbliebenen der sieben Bundeswehrsoldaten, die kurz vor Weihnachten 2002 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen sind, in den Genuss der Neuregelung.