Es gehört inzwischen zu den Gemeinplätzen in der Historischen Bildungsforschung, dass "Reformpädagogik" keine pädagogische Epoche war, die 1933 aus politischen Gründen abrupt endete. Nicht unumstritten ist auch die pauschale Kennzeichnung der Nachkriegszeit als einer pädagogisch restaurativen Phase. Die Hannoveraner Habilitationsschrift von Bernd Dühlmeier liefert jetzt reichhaltige Argumente, um solche Sichtweisen weiter zu erschüttern.
Geographisch auf Niedersachsen konzentriert, untersucht der Autor, gestützt auf eine breite Quellenbasis, die vielfältigen Prozesse der inneren Schulreform. 114 Interviews mit Zeitzeugen, zahlreiche Fotos, Praxisberichte, Schülerarbeiten, Arbeitsmittel und archivalische Quellen dienen ihm zur Beantwortung seiner Primärfrage: Bewegte sich die Schule in der Restaurationszeit doch?
Sein Blick richtet sich dabei auf das weite Feld der inneren Schulreform. In fünf Kapiteln stellt er unbekannte Reformpädagogen, ihre Projekte und ihre Arbeitsbedingungen vor. Dabei untersucht er sowohl die "von oben" verordneten Reform- und Beispielschulen als auch Schulen wie die Jena-Plan-Schulen sowie die Reformarbeiten einzelner Volksschullehrer im niedersächsischen Raum. Orientiert am Schulalltag gelingt es dem Autor in beeindruckender Weise zu zeigen, wie reformpädagogische Projekte Eingang in die Praxis der Schulen fanden und wie diese andererseits auch Wege aus der Schule heraus in eine breitere Öffentlichkeit suchten.
Es ist nicht nur ein Verdienst des Bandes, die traditionellen Epochenbehauptungen zur Reformpädagogik überzeugend aufgebrochen zu haben; das Buch bietet auch zahlreiche Anregungen für die aktuelle Qualitätsdiskussion. Das ist für eine bildungshistorische Abhandlung nicht wenig.
Bernd Dühlmeier
Und die Schule bewegte sich doch.
Unbekannte Reformpädagogen und ihre Projekte in der Nachkriegszeit.
Klinkhardt-Verlag, Bad Heilbrunn 2004;
510 S., 34,- Euro