Die Nachricht kam einem kleinen politischen Erdbeben gleich: Mitte vergangener Woche übergab Staatspräsident Fidel Castro zum ersten Mal in seiner 47-jährigen Regierungszeit die Amtsgeschäfte an seinen Stellvertreter - 14 Tage vor seinem 80. Geburtstag. Wegen einer komplizierten Darmoperation wird sein fünf Jahre jüngerer Bruder Raúl - zugleich Vizepräsident und Verteidigungsminister - die Geschicke des sozialistischen Kubas in den kommenden Wochen lenken. Während die Menschen in Kuba mit gespannter Ruhe auf die Nachricht reagierten, verleitete sie in Miami, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Florida, tausende von Exilkubanern zu spontanen und ausgelassenen Feiern.
Der Jubel könnte verfrüht sein, aber die Geschehnisse lassen einmal mehr jene Frage in den Vordergrund rücken, die Castro-Gegner wie -Freunde nun schon seit Jahren eint: Wie lange noch Fidel? Wie lange noch wird der oberste Revolutionsführer, der Comandante en Jéfe, der Máximo Líder den Ton angeben auf der Karibikinsel, die er seit dem Sturz von Diktator Batista im Jahr 1959 mit eiserner Hand regiert.
Die Nachfolgefrage und die sich daraus ergebenden Folgen für Kuba sind natürlich auch Thema in jenen Castro-Biografien, die pünktlich zu seinem 80. Geburtstag erschienen sind. Der Journalist Peter Jacobs, er publizierte bereits mehrere Bücher über Lateinamerika, und seine Kollegin Waltraud Hagen, sie war früher für den DDR-Rundfunk in der Region als Korrespondentin tätig, widmen ihr zwar sowohl das Einstiegs- und das Schlusskapitel ihres Buches, doch eine Antwort bleiben sie schuldig, bieten allenfalls einen höchst pessimistischen Ausblick auf die Zukunft Kubas. Ein Nachfolger, der die Lücke schließen kann, die Castros Tod hinterlassen werde, sei nicht in Sicht. Auch sein Bruder Raúl könne dies nicht leisten - zu alt und farblos sei er. Noch schlechter kommen die Gegenspieler Castros weg: Die USA warteten lediglich darauf, dass es "endlich wieder ein botmäßiges Regime gäbe", das sich nicht länger ihren "imperialen Interessen" widersetze. Und die Exilkubaner in Miami seien in der Mehrheit "eher auf Beute aus als auf die Errichtung einer lateinamerikanischen Demokratie nach westlichem Vorbild".
José de Villa, langjähriger Chefredakteur der Tageszeitung "El Dia" und Publizistikprofessor an der Unversidad Nacional Autónoma de México, und Jürgen Neubauer, der als Übersetzer und Publizist in Mexiko-Stadt lebt, entwerfen in ihrem "Máximo Líder" zumindest einige denkbare Szenarien für die Nach-Castro-Zeit und ein differenziertes Bild der Rolle der USA. Und sie benennen neben Raúl einen weiteren Politiker, der als Nachfolgefavorit gilt: der derzeitige 41-jährige Außenminister Felipe Pérez Roque.
Einig sind sich beide Autorenduos in ihrer Einschätzung, dass Castro seinen Sessel nicht freiwillig räumen wird - zumindest so lange es seine Gesundheit zulässt - und dass er - bereits zu Lebzeiten zum "Mythos", zur "Legende" geworden - durch niemanden zu ersetzen sein wird für den Erhalt des sozialistischen Regimes. Gleichwohl räumen sie ein, dass die junge kubanische Generation des zu Reformen unfähig gewordenen Diktators zunehmend überdrüssig werde.
"Wenn er geht, wird er Freunden wie Feinden fehlen", urteilen Jacobs und Hagen abschließend. Wie drückte es Castro nicht ohne Stolz selbst einmal aus?: "Wenn ich gehe, wird es keiner glauben." Dieses und ähnliche vergnügliche Zitate Castros und Anekdoten über ihn hat Jacobs in einem gleichnamigen Buch zusammengetragen. Chronologisch angeordnet lesen sie sich anolog zu den Biografien und vermitteln zugleich einen guten Eindruck der höchst widersprüchlichen Gestalt des Comandante.
José de Villa / Jürgen Neubauer: Máximo Líder. Fidel Castro. Eine Biographie. Econ Verlag, Berlin 2006; 271 S., 19,95 Euro.
Waltraud Hagen / Peter Jacobs: Fidel Castro. Eine Chronik. Verlag Neues Leben, Berlin 2006; 160 S., 12,90 Euro.
"Wenn ich sterbe, wird es keiner glauben." Anekdoten über Fidel Castro. Gesammelt und aufgeschrieben von Peter Jacobs. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2006, 127 S., 9,90 Euro.