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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Meeresfragen und mehr Europa
Gültig ab: 20.09.2006 10:19
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Meeresfragen und mehr Europa

Kurt Bodewig (SPD).
Kurt Bodewig (SPD).

Möwen vor dem Hamburger Rathaus.
Möwen vor dem Hamburger Rathaus.

Im Foyer des Rathauses von Hamburg.
Im Foyer des Rathauses von Hamburg.

Möwe auf einem Geländer vor dem Hamburger Rathaus.
Möwe auf einem Geländer vor dem Hamburger Rathaus.

Im Gespräch über europäische Meerespolitik: Kurt Bodewig (links).
Im Gespräch über europäische Meerespolitik: Kurt Bodewig (links).

Anhörung im Europaausschuss des Hamburger Rathauses.
Anhörung im Europaausschuss des Hamburger Rathauses.

Wieviel Länder hat die EU? Schülerin beim EU-Projekttag.
Wieviel Länder hat die EU? Schülerin beim EU-Projekttag.

Blick auf die Diskussionsrunde in der Grevenbroicher Gesamtschule.
Blick auf die Diskussionsrunde in der Grevenbroicher Gesamtschule.

Gute Diskussion: Kurt Bodewig in der Gesamtschule Grevenbroich.
Gute Diskussion: Kurt Bodewig in der Gesamtschule Grevenbroich.

Gut vorbereitet: Grevenbroicher Schüler.
Gut vorbereitet: Grevenbroicher Schüler.

Tagesläufe: Kurt Bodewig (SPD)

Kurt Bodewig redet gern über das Projekt Europa und er glaubt daran, dass es gut, richtig und wichtig ist, sich dafür einzusetzen.

Möwen sind sehr gesellige Wesen. Und laut sind sie auch. Sie kreischen, zetern, lachen, krächzen, jaulen, klagen und schön klingt es fast nie. Aber immer klingt es nach großer, weiter Welt. Das ist ein wenig seltsam.

Wenn man in Hamburg auf dem großen Platz vor dem altehrwürdigen Rathaus steht und den Fehler macht, ein paar Brotkrumen in die Luft zu werfen, ist man schnell das Ziel eines wahren Möwengeschwaders. Touristen tun so etwas gern. Und Einheimische tun dann so, als hätten sie alle Vögel als Attraktion für die Besucher bestellt. Hamburg ist eine Weltstadt, in der jeder Straßenmusiker den Gassenhauer „La Paloma” spielt, zu dem das Kreischen der Möwen immer passt. In der Weltstadt Hamburg wird oft über weltweite Angelegenheiten geredet. über das Meer zum Beispiel und europäische Meerespolitik.

Kurt Bodewig kommt mit einbrechender Dunkelheit in die Hansestadt, da hat er nicht mehr viel von den Möwen und von Möwen verwöhnenden Touristen. Der 51-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete ist als Sachverständiger geladen. Nicht in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, sondern als Vorsitzender des Baltic Sea Forums, einer internationalen Vereinigung Nord- und Osteuropas.

Eingeladen hat der Europaausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Sieben Sachverständige sollen über verschiedene Aspekte der Europäischen Meerespolitik reden. Es geht um maritime Wirtschaft, Klimawandel, Deichbau und Hochwasserschutz, Hinterlandanbindung des Hamburger Hafens, EU-Programme zur interregionalen Kooperation, den Zustand der Meere, die Fischerei, Wasserrahmenrichtlinien, Offshore-Anlagen, Schiffbau — um das halbe Leben also. Zumindest in einer Hanse- und Hafenstadt.

Ausgangspunkt der Anhörung ist das sogenannte „Grünbuch” mit dem Titel „Die künftige Meerespolitik der EU: Eine europäische Vision für Ozeane und Meere”. Dieses Dokument hat die Europäische Kommission erarbeitet und zur Diskussion gestellt. Wenn die öffentliche Debatte abgeschlossen ist, wird es ein „Weißbuch” geben, in dem viel und viel Wichtiges zur künftigen europäischen Meerespolitik steht. Dann stünde die Bewirtschaftung der Ozeane und Meere auf solider Grundlage. Das sagt der Europäische Kommissar für Fischerei und maritime Angelegenheiten.

Europa ist von vier Meeren und zwei Ozeanen umgeben. Man kann das Thema Meerespolitik also nicht überschätzen. 68.000 Kilometer Küste gehören zum Kontinent Europa, kein Mensch lebt hier mehr als 700 Kilometer vom Meer oder vom Ozean entfernt. Kurt Bodewig redet während der Anhörung über die Chance, die sich mit dem vorgelegten Grünbuch für eine integrierte Meerespolitik eröffnet. Er spricht über Schiffbau und Sicherheitsstandards, über seegestützten Verkehr und Welthandel. Er sagt, eine Stadt wie Hamburg habe große Chancen, auch künftig zu prosperieren und die EU-Meerespolitik sei ein Motor und eine Garantie für gute und vernünftige Entwicklungen.

Vier Stunden später sitzt der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Neuss wieder im Zug nach Berlin. Auf dem Bahnsteig trifft er eine Fraktionskollegin, mit der er später im Zug einen Antrag bespricht. Er macht keinen müden Eindruck an diesem Abend, obwohl es ein langer Tag war. Die Hamburger Möwen schlafen wahrscheinlich schon längst. Satt von den Brosamen der Touristen und zufrieden mit dem ganzen Tag. Das ist aber nur eine Vermutung.

Der Abgeordnete Bodewig sagt, er sei eigentlich eher ein Frühmensch, aber in der Politik müsse man sich halt auch an lange Arbeitstage gewöhnen, die erst spät in der Nacht enden. Als Sohn eines Bäckers habe er früher morgens immer Brötchen ausgetragen und einen viertel Pfennig pro Brötchen verdient. Sechs Uhr am Morgen sei er losgegangen, so zeitig begännen die Tage heute meist nicht mehr.

Ein paar Tage später ist Kurt Bodewig an einem ganz anderen Ort in Sachen Europa unterwegs. Am 22. Januar findet der EU-Projekttag statt. Es war ein Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten, einen solchen Tag zu gestalten. Seit dem 1. Januar 2007 hat Deutschland für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union. Das ist Anlass für den Projekttag gewesen. Das Anliegen war, mit Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen. Und die Idee, dass Politikerinnen und Politiker mit den Jugendlichen über Europa reden. Auf Augenhöhe. Ein guter Gedanke.

Kurt Bodewig ist also am 22. Januar im Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen. Genauer in Grevenbroich. Hier gibt es die Käthe-Kollwitz-Gesamtschule — die „freundliche Teamschule”. Sie besteht aus drei Häusern, dem Haus der Kinder für die Klassen 5 bis 7, dem Haus der Jugendlichen für die Klassen 8 bis 10 und dem Haus der jungen Erwachsenen für die Klassen 11 bis 13. Wer bis zur 13. Klasse die Schule besucht, zieht also zwei Mal um. Mit jedem Umzug sind mehr Rechte und mehr Pflichten verbunden. Zwei Klassen bilden gemeinsam mit ihren Lehrern ein Team, das ist die pädagogisch entscheidende Organisationsform der Schule. Auch in der Sekundarstufe II wird das Team nicht aufgelöst. So entstehen feste Bindungen und gute soziale Beziehungen.

Vor dem Forum, einem großen runden Raum, technisch bestens ausgerüstet für Veranstaltungen und Theater, wachsen die Wünsche in den Himmel. Auf farbigen Zetteln haben Schülerinnen und Schüler ihre Traumberufe beschrieben. Die Zettel hängen an dünnen Fäden von der Decke und versprechen, dass hier künftige Polizeivollzugsbeamte, Fotografinnen, Tierpfleger, Fußballprofis, Architektinnen und Werbekauffrauen lernen.

Im Forum sitzen an diesem Januarvormittag Schülerinnen und Schüler der 12. Jahrgangsstufe. Sie warten auf den Abgeordneten Bodewig, der angekündigt ist als einer, der mit ihnen über die Europäische Union diskutieren will. Das wollen sie auch. Es gibt noch immer mehr Fragen als Antworten. Und heute wird man Fragen stellen können und vielleicht Antworten bekommen. Mal schauen.

Kurt Bodewig ist pünktlich, er trägt einen dunkelblauen Anzug und eine rote Krawatte und wird vom Schulleiter Ulrich Freiherr von Medem begrüßt. „Abgeordneter kann jeder von euch werden”, sagt der Schulleiter und es klingt wie eine Verheißung. „In ein paar Jahren”, sagt er auch, „werden wir Gott sei Dank alle zuerst Europäer sein und dann Deutsche.” Das klingt auch wie eine Verheißung.

Kurt Bodewig schlägt vor, zuerst eine kleine Wissensrunde zu machen. Dank PowerPoint und bester Technik gestaltet sich die Runde multimedial. Bodewig erzählt zuerst noch, dass er hier in dieser Schule viele Wahlsonntage als Wahlhelfer verbracht habe. Und dass er als Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union schon 25 europäische Länder bereist habe. Die Slowakei und Malta fehlten noch.

Danach werden Fragen und Bilder an die Wand geworfen. Wie viele Mitgliedsstaaten hat die EU, wann wurde sie gegründet, wofür gibt die EU das meiste Geld aus, wie viel Personal beschäftigt sie, wofür stehen die zwölf Sterne, wann ist der Europatag, welches Motto hat sich die EU gegeben? Die Antworten: 27, vor fünfzig Jahren, Landwirtschaft, 12.000, das Symbol der Vollständigkeit, der 9. Mai, in Vielfalt vereint. Alle Antworten kommen aus den Reihen der Schülerinnen und Schüler. Das sei ziemlich beeindruckend, sagt Kurt Bodewig und leitet zur Diskussion über. Die gestaltet sich noch beeindruckender.

Den Einstieg macht ein Schüler mit der Frage, wozu man in Europa noch eine Verfassung brauche, wenn sich doch alle Staaten an die Kopenhagener Kriterien halten müssten. Werde durch Europäisches Recht nicht Landesrecht gebrochen, fragt ein anderer Schüler und eine Schülerin will wissen, warum es in Deutschland keine Volksabstimmung über die Europäische Verfassung gegeben habe. „Vielleicht hätte das Volk ja Nein gesagt.” „Wir leben in einer repräsentativen Demokratie”, versucht ein anderer Schüler gleich selbst die Erklärung und Kurt Bodewig spricht darüber, wie schlecht es für die EU wäre, machte sie sich handlungsunfähig, weil jeder Beschluss und jedes Vorhaben durch das Veto eines Landes ausgehebelt werden könne.

„Wir merken heute bei vielen Dingen und alltäglichen Angelegenheiten gar nicht mehr, dass sie das Ergebnis europäischer Politik sind. Wir sind Nutznießer vieler europäischer Regelungen.” Wenn man den Pass nicht mehr brauche, um in ein anderes europäisches Land zu fahren, in vielen Ländern mit der gleichen Währung bezahle. „Wie konkret ist denn Europa?”, fragt Kurt Bodewig und nennt Beispiele. Telefonieren sei billiger geworden, Flüge seien preiswerter zu haben. „Aber ich scheue auch die großen Worte nicht. Wir sollten alles tun, um unsere Welt friedlicher und demokratischer zu machen. Europa ist eine große Chance.” Sagt Kurt Bodewig.

Mehr als zwei Stunden dauert die Debatte mit dem SPD-Abgeordneten. Sie ist gut und anstrengend. Sie vermittelt den Eindruck, dass man über Europa reden kann. Miteinander, gegeneinander, streitbar, übereinstimmend, kontrovers, interessant.

Kurt Bodewig hat sich angestrengt. Der Applaus am Ende ist mehr als eine Höflichkeitsgeste und klingt wie eine letzte Verheißung an diesem Tag. Man kann ja weiterdiskutieren. über Europa. Es scheint sich zu lohnen.

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 22. März 2007

Weitere Informationen:

Kurt Bodewig (SPD)
E-Mail: kurt.bodewig@bundestag.de
Webseite: www.kurt-bodewig.de

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
E-Mail: europaausschuss@bundestag.de
Webseite: www.bundestag.de/ausschuesse/a21

Baltic Sea Forum
Webseite: www.baltic-sea-forum.org


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