STASI-UNTERLAGEN
Gutachten im Auftrag des Kulturstaatsministers im Ausschuss vorgestellt
Der Stein war Ende vergangenen Jahres mal wieder ins Rollen gekommen. Da hatte eine große deutsche Tageszeitung über ehemalige Stasi-Mitarbeiter in der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) von Marianne Birthler berichtet: Einige Dutzend hätten zu DDR-Zeit für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet, hieß es. Vergangenen Mittwoch ist aus den Vermutungen und Spekulationen Realität geworden: Derzeit sind in der Stasi-Unterlagenbehörde 56 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit und zwei ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter in unkündbaren Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Das geht aus einem Gutachten hervor, das der Ex-Verfassungsrichter Hans H. Klein und der Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat, Klaus Schröder, im Auftrag von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) seit Januar dieses Jahres erarbeitet haben. Neumann hat das bisher unter Verschluss gehaltene Papier am 13. Juni im Kulturausschuss vorgestellt und an die Ausschussmitglieder ausgehändigt.
Die bestehenden Arbeitsverhältnisse seien alle während des Aufbaus der Behörde geschlossen worden, sagte der Staatsminister. Die Zugehörigkeit der Mitarbeiter zum MfS sei bei der Einstellung bekannt gewesen, so Neumann weiter. Außerdem sollen in der Stasi-Unterlagenbehörde mehrere hundert frühere SED-Systemträger tätig sein. Sie sollen früher im Innenministerium der DDR, der Volkspolizei, der Generalstaatsanwaltschaft und der Nationalen Volksarmee beschäftigt gewesen sein. Neumann warnte im Kulturausschuss vor voreiligen Schlüssen und Aktionismus: "Ich bin der Auffassung, dass man über das Thema in Ruhe und ohne Hektik diskutieren sollte", so der Staatsminister. Er kündigte aber auch an: Auf Grundlage des Gutachtens seien in der Stasi-Unterlagenbehörde "Veränderungen vorzunehmen". In seiner Sitzung am 20. Juni will sich der Kulturausschuss intensiver mit dem Gutachten beschäftigen. Neben Staatsminister Neumann sollen dazu auch die Leiterin der Behörde, Marianne Birthler, und eventuell einer der Autoren des Gutachtens geladen werden.
Birthler, die die Leitung der Unterlagenbehörde als Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen im Jahr 2000 von Joachim Gauck übernommen hatte, reagierte irritiert auf das Gutachten. Es gebe, so Birthler in ihrer ersten Stellungnahme, "im Wesentlichen den allgemeinen Kenntnisstand über den Umfang von Stasibelastetem Personal in der Behörde wieder". Zudem stelle es fest, dass diese Mitarbeiter niemanden über ihre berufliche Herkunft und Vergangenheit getäuscht hätten. Staatsminister Neumann hatte im Kulturausschuss angemerkt, dass sie bei Gründung der Behörde 1992 möglicherweise gezielt eingestellt worden seien, um internes Wissen über die Funktionsweise der Stasi in den Aufarbeitungsapparat mit einbeziehen zu können.
Behördenleiterin Birthler warnt außerdem vor einem "Generalverdacht" gegenüber früheren DDR-Staatsbediensteten. Wie Staatsminister Neumann wies auch sie Bedenken an der rechtlichen Stellung der Stasi-Unterlagenbehörde zurück.
Dennoch ist erneut eine Disskussion über die Zukunft der Aktenbehörde entbrannt. In dem Gutachten empfehlen die beiden Experten, die BStU dem Bundesarchiv anzugliedern. Das gleiche fordert die SPD in einem Positionspapier - allerdings erst für das Jahr 2019. Neumann betonte im Kulturausschuss dennoch: Aussagen über die Zukunft der Behörde seien von den Experten nicht gefordert gewesen. Eine Angliederung der BStU an das Bundesarchiv sei deshalb nicht beabsichtigt, sagte Neumann und widersprach damit anderslautenden Presseberichten.