Experten: Das Zuwanderungsgesetz hat sich bewährt
Berlin: (hib/BES) Der Umfang der Fälschungen von Beweisen bei Asyl- und Flüchtlingsverfahren ist von 40 Prozent im Jahr 2005 auf nunmehr 20 Prozent zurückgegangen. Dies ist nach Meinung von Albert Schmid, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), auf die neue Sprach- und Textanalyse zurückzuführen. Als besonders problematisch bezeichnete Schmid in einer Sitzung des Menschenrechtsausschusses am Mittwochabend die Gesamtverfahrensdauer. Dabei seien unterschiedliche Kulturen bei den Verwaltungsgerichten zu beobachten. Während die Verfahren in Rheinland-Pfalz durchschnittlich 17 Monate dauerten, müsse man in Berlin mit 45 Monaten rechnen. Daraus resultierten "erhebliche Aufenthaltsbefestigungen", meinte Schmid, der dem Ausschuss Auskunft über praktische Probleme beim Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen nach dem Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes 2005 gab. Auf das Gesetz könne das Parlament insgesamt stolz sein, lobte Schmid.
Die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure als Fluchtgrund habe nicht den Umfang erreicht, den man erwartet habe, meinte Schmid. Praktische Auswirkung habe dieser Tatbestand dennoch etwa bei Christen im Irak und in Somalia. Besonders langwierig seien die Verfahren bei Fällen von posttraumatischer Belastungsstörung, die zwar keinen Asylgrund darstellten, dennoch in jedem zweiten oder dritten Antrag vorkämen. Ein ärztliches Attest reiche dabei aber nicht aus; es müsse ein fundiertes Gutachten erstellt werden. Die posttraumatischen Belastungsstörungen seien "ein Problem in jeglicher Hinsicht", meinte dazu Carsten Ulrich, Richter am Verwaltungsgericht Sigmaringen und Dozent an der Universität Konstanz. Diese Verfahren machten "schlicht mehr Arbeit", weil dies eine medizinische Frage sei, die ein Richter nicht beurteilen könne. In seiner Gesamtanalyse stimmte Ulrich mit Schmid überein, nahm aber seine Berliner Kollegen in Schutz: Sie seien "überlastet mit anderen Verfahren". "Ich kann nicht allem zustimmen", meinte hingegen Reinhard Marx, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, zu den Schilderungen von Schmid und Ulrich. Aus Sicht der Betroffenen gebe es Verfahrensdefizite in Deutschland. Marx kritisierte, dass keine verfassungsrechtliche Beratung vor den Anhörungen der Flüchtlinge vorgesehen ist. Auch während der Anhörung finde keine situative Erklärung statt. Man verfahre nach dem Motto: "Wenn sie erst beraten werden, dann belügen sie uns." Dabei sei es ein "verfahrensrechtlicher Selbstmord" als Asylsuchender ohne Anwaltsberatung in die Anhörung zu gehen. Als unglücklich bezeichnete Marx, dass "die Akten durch die Welt wandern" und die Entscheidung in den Verfahren nicht die gleichen Personen treffen, die auch die Anhörung geführt haben.
Um die Frage zu beantworten, "warum haben Sie Ihr Land verlassen?", brauche man keinen Anwalt, widersprach Ulrich. Auch Schmid nahm die Befrager in Schutz, die die Glaubwürdigkeit der Asylsuchenden prüfen. Deutsche Verfahrenstandards und Qualitätsprüfungen seien im internationalen Vergleich einmalig. Die Mitarbeiter seien sehr gut geschult - auch was Fälle mit kulturellen Unterschieden oder Schamschwellen bei bestimmten Fragen angeht. Wo aber "etwas im Argen liegt, sind wir offen, es zu verbessern", so Schmid.