Uhrlau: Kanzleramt über Misshandlung Khafagys nicht informiert
Berlin: (hib/KOS) Die Leitung des Kanzleramts sei nicht über die rechtsstaatswidrigen Haftbedingungen des Ende September 2001 von US-Militärs in Sarajewo verhafteten Deutsch-Ägypters Abdel Halim Khafagy unterrichtet gewesen: Dies erklärte am Donnerstagnachmittag Ernst Uhrlau, damals Geheimdienstkoordinator in der Regierungszentrale, zum Auftakt seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss. Laut dem heutigen BND-Präsidenten wurde in den vom seinerzeitigen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier geleiteten Sicherheitslagen von der Spitze des Bundeskriminalamts (BKA) auch nicht zur Sprache gebracht, dass es wegen der inakzeptablen Umstände der Gefangenschaft im US-Lager Eagle Base in Tuzla zwei nach Bosnien entsandte BKA-Beamte abgelehnt hatten, den in München ansässigen 69-Jährigen zu befragen. Schon im Oktober 2001 über die Haftbedingungen Khafagys informiert gewesen zu sein, "schließe ich aus", so der Zeuge. Er habe damals auch nicht die schweren Verletzungen vermuten können, die der Ägypter bei seiner Verhaftung erlitt. Uhrlau sagte, erst im Herbst 2006 im Zuge der Recherchen des Untersuchungsausschusses von diesen Vorkommnissen Kenntnis erhalten zu haben. Khafagy war irrtümlich unter Terrorverdacht geraten und in Bosnien Misshandlungen ausgesetzt, unter anderem fanden sich Blutspuren an seinen Unterlagen. Er wurde nach Kairo ausgeliefert und konnte dann nach München zurückkehren.
Uhrlau erklärte, die Verhaftungsaktion in Sarajewo sei zwar in der Sicherheitslage besprochen worden. Doch habe sich schon nach wenigen Tagen herausgestellt, dass es sich bei dem Begleiter Khafagys nicht um das zunächst vermutete hochrangige El-Kaida-Mitglied gehandelt habe. Auch sei es dem BKA nicht gelungen, einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Münchners zu erwirken. Danach, so der Zeuge, sei diese Angelegenheit für das Kanzleramt abgehakt gewesen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass Angehörige der Bundeswehr in die Festnahme Khafagys involviert gewesen seien. Dessen Fall sei nicht mit den "Renditions" zu vergleichen, also dem rechtswidrigen Kidnapping von Terrorverdächtigen.
"Wir waren wohl auf unterschiedlichen Veranstaltungen": Mit diesen Worten widersprach Uhrlau Aussagen, die sein einstiger Stellvertreter Konrad Wenckebach vergangenen Donnerstag vor dem Ausschuss gemacht hatte. Unter Verweis auf das vorläufige Vernehmungsprotokoll jener Sitzung konfrontierten Oppositionsabgeordnete Uhrlau mit Wenckebachs Erklärung, dass die rechtsstaatswidrigen Haftbedingungen Khafagys in der Sicherheitslage behandelt worden seien und das Vorgehen der US-Militärs Erstaunen hervorgerufen habe. "Hatte Wenckebach Halluzinationen?", fragte Hans-Christian Ströbele (Grüne). "Nach bestem Wissen und Gewissen" betonte Uhrlau, von der BKA-Spitze seien die Misshandlungen des Ägypters nicht thematisiert worden. Ein vom BKA für dessen Präsidenten erstellter interner "Sprechzettel", in dem die problematischen Haftbedingungen als Begründung für die Ablehnung einer Befragung Khafagys durch die zwei Beamten erläutert wurden, sei in der Sicherheitslage auch nicht verteilt worden. Vielleicht habe Wenckebach "zeitliche Zusammenhänge verschwimmen lassen", kommentierte Uhrlau dessen Aussagen. SPD-Obmann Michael Hartmann sagte, die im Protokoll wiedergegebenen Äußerungen von Uhrlaus ehemaligem Stellvertreter seien widersprüchlich. Erstaunt über Wenckebachs Aussagen vorige Woche zeigte sich auch Hans-Josef Vorbeck. Der Ende 2001 im Kanzleramt als Leiter der Terrorismus-Abteilung tätige Zeuge erklärte, er könne sich nicht daran erinnern, gegenüber Wenckebach davon gesprochen zu haben, Khafagy sei in Bosnien gefoltert worden. Eine solche Äußerung soll Vorbeck, so von Oppositionsabgeordneten zitierte Passagen aus dem Protokoll jener Sitzung, gegenüber Wenckebach gemacht haben. Seiner Erinnerung nach, so Vorbeck, sei er damals über Khafagys Haftbedingungen gar nicht unterrichtet gewesen. Über dessen Misshandlungen sei er erst 2006 über Medienberichte informiert worden.