Debatte: Arbeitszeit

Jahrelang wurde die These vertreten, dass eine Politik der Frühverrentung und auch eine geringe Erwerbsquote bei Frauen den Arbeitsmarkt entspannt. Diese Politik ist gescheitert. Unsere Nachbarländer haben sich umgestellt und praktisch bewiesen, dass ein Abschied von der Frühverrentung und eine hohe Erwerbsquote von Frauen insgesamt zu mehr Beschäftigung führt. Bei uns haben dagegen die langen Ausbildungszeiten und später Berufseinstieg, früher Renteneintritt und sehr lange Bezugszeiten von Arbeitslosengeld die Kosten für die Sozialversicherungssysteme noch getrieben und die Langzeitarbeitslosigkeit stark verfestigt.

Die rot-grüne Koalition will die Lebensarbeitszeit verlängern – durch kürzere und effektivere Ausbildungszeiten, Abschied von der Frühverrentung, eine bessere Arbeitsvermittlung und kürzere Bezugszeiten von Arbeitslosengeld. Die Wochenarbeitszeit, die Anzahl der Feiertage oder die Länge des Urlaubs können nicht allein die Probleme der Sozialversicherungssysteme lösen. In Deutschland sind die Lohnnebenkosten zu hoch – und damit die Beschäftigungsschwelle. Erst ab 1,87 Prozent Wirtschaftswachstum entstehen neue Arbeitsplätze. Mit den Sozialreformen stabilisieren wir heute die Beitragssätze. Mit der Bürgerversicherung werden wir in Zukunft den Faktor Arbeit entlasten.

Ab 2010 verschärft die demografische Entwicklung den Druck zu einer besseren Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials in Deutschland. Deswegen brauchen wir bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten und eine bessere Integration von Älteren ins Erwerbsleben.

Bei der Arbeitszeit kann es keine Einheitslösung geben. Mehr Erwerbstätige, aber auch mehr Teilzeit; mehr Arbeit in Spitzenzeiten, aber auch mehr Freizeit in Flauten – Lebensarbeitszeitkonten, Familienzeiten und Sabbatical werden die Zukunft bestimmen. Im Schnitt wird jeder und jede im Leben mehr arbeiten – dafür wird die Arbeitslosigkeit sinken. Bunte, familiengerechte Lösungen statt Schlagwörter: Das ist die Arbeitszeitpolitik der Zukunft.

Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen im Dezember 2004