Der Staat muss der angestiegenen Jugendkriminalität entschieden entgegentreten. Das Jugendstrafrecht sollte dabei zwei wichtige Funktionen erfüllen: Es muss dem straffälligen Jugendlichen unmissverständlich aufzeigen, dass er sich falsch verhalten hat, und gleichzeitig verhindern, dass dieser aus seinem sozialen Umfeld (Schule, Ausbildung, Familie, Freunde etc.) herausgerissen wird und so gegebenenfalls erst der Grundstein für eine kriminelle Karriere gelegt wird.
Zahlreiche Jugendliche werden nur einmal im Bereich niederschwelliger Kriminalität auffällig. Die Zahl jugendlicher Intensiv- und Mehrfachtäter ist eher klein, erhält aber in den Medien naturgemäß eine höhere Aufmerksamkeit. Die Verhängung einer Haftstrafe muss bei Jugendlichen daher Ultima Ratio sein. Das Jugendstrafrecht wird diesem Anspruch mit einer Vielzahl von Reaktionsmöglichkeiten – Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe – grundsätzlich gerecht und dient nicht umsonst als Vorbild für Reformen im Ausland.
Reformbedarf besteht punktuell etwa in Form einer weiteren Differenzierung der Reaktionsmöglichkeiten, der Verfahrensbeschleunigung und des Opferschutzes. Eine durch spektakuläre Einzelfälle motivierte Absenkung der Strafmündigkeitsgrenze kommt nicht in Betracht. Falsch ist hingegen, dass heute auch auf Heranwachsende (18- bis 21-Jährige) regelmäßig Jugendstrafrecht angewendet wird. Warum sollte, wer in allen Lebensbereichen ab 18 Jahren voll verantwortlich agieren kann, nicht auch strafrechtlich voll verantwortlich sein?
Einem individuellen Entwicklungsrückstand kann mit flexibleren Reaktionsmöglichkeiten im Erwachsenenstrafrecht begegnet werden. Der Gesetzgeber muss in jedem Fall sicherstellen, dass auch auf Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren künftig grundsätzlich allgemeines Strafrecht angewendet wird.
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 01. Februar 2005