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Symbolik oder Sicherung der Demokratie?

Bild: Marschbefehl Richtung Kongo? Deutsche Soldaten auf dem Weg ins Ausland.
Marschbefehl Richtung Kongo? Deutsche Soldaten auf dem Weg ins Ausland.

Forum: Bundeswehreinsatz im Kongo

Die Bundeswehr befindet sich derzeit mit rund 6.500 Soldaten weltweit im Einsatz. Sie ist mit 5.000 Soldaten der größte Truppensteller der NATO und beteiligt sich mit gut 1.000 Soldaten an EU-Einsätzen. Nun möchte die Bundesregierung im Juni einen weiteren Auslandseinsatz beginnen. Deutschland soll als „Lead Nation“ die Federführung einer EU-Mission zur Überwachung der ersten freien Wahlen im Kongo seit 45 Jahren übernehmen. Im Mai wird der Bundestag über die Entsendung der deutschen Soldaten zu entscheiden haben.

Die ehemalige belgische Kolonie Kongo im Herzen Afrikas hat 53 Millionen Einwohner und ist sieben Mal so groß wie Deutschland. Seit der Entlassung in die Unabhängigkeit 1960 hat die Demokratische Republik Kongo (DRC), die sich zwischenzeitlich Zaire nannte, allerdings nicht auf den Weg der Demokratie gefunden. Zunächst ausgebeutet von Diktator Mobutu, dann vom Bürgerkrieg erschüttert, ist seit 2003 mit einem Übergangsparlament und einer Übergangsverfassung ein Stabilisierungs- und Demokratisierungsprozess eingeleitet worden. Ursprünglich waren die freien Wahlen bereits für Juni 2005 vorgesehen, wurden jedoch wegen logistischer Probleme und Differenzen zwischen den politischen Gruppierungen immer wieder aufgeschoben. Auch der zur Zeit vorgesehene Wahltermin 18. Juni könnte noch um ein bis zwei Wochen verschoben werden.

Die Anfrage an die Europäische Union zu einer Mission im Kongo kam im Dezember vergangenen Jahres von den Vereinten Nationen. Zwar haben die UN selbst rund 17.000 Soldaten, überwiegend in den gefährlichen Rebellengebieten im Osten des Kongo, stationiert (MONUC), doch haben sie zur Absicherung der freien Wahlen um einen EU-Einsatz gebeten. Die EU selbst fühlt sich Afrika besonders verpflichtet und will sich dort mit ihrer relativ jungen Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik unter Beweis stellen.

Deutschland als „Lead Nation“

Die Bundesregierung rang sich zu einer Beteiligung an einer Kongo-Mission zunächst nur schwer durch, obwohl sie seit Ende des Kalten Krieges an Friedens- und Stabilisierungsmissionen weltweit teilnimmt. SPD-Fraktionschef Peter Struck, früher Verteidigungsminister der rot-grünen Koalition, hatte seinerzeit die Losung ausgegeben: "Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt." Damit begründete er unter anderem den Einsatz von inzwischen rund 2.700 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Weitere 3.150 sorgen derzeit gemeinsam mit Soldaten aus anderen Ländern für Sicherheit im Kosovo und knapp tausend in Bosnien-Herzegowina. Im Rahmen des internationalen Einsatzes gegen den Terrorismus, der Operation „Enduring Freedom“, sind 270 deutsche Soldaten an der Kontrolle der Seewege am Horn von Afrika beteiligt.

Für den Kongo-Einsatz hat die EU insgesamt einen Umfang von 1.500 Soldaten vorgesehen. Die Hauptlast wollen sich Deutschland und Frankreich mit jeweils 500 Soldaten teilen. Darauf hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Jacques Chirac festgelegt, nachdem der Einsatz der EU-battle group mit 1.500 deutschen und vier französischen Soldaten in Deutschland auf Ablehnung gestoßen war.

Gemäß Planung werden weitere 500 Soldaten von anderen europäischen Nationen entsandt. Unter anderen haben sich Spanien, Polen, Schweden, Belgien und Österreich grundsätzlich zu einem Beitrag bereit erklärt. Der Kommandeur des Einsatzführungskommandos in Potsdam, General Karlheinz Viereck, soll die Führung übernehmen. Das Bundesverteidigungsministerium betont allerdings, dass Viereck in seiner neuen Funktion „einen europäischen Hut“ aufhabe, dass heißt, er ist nicht in deutsche, sondern in europäische Führungsstrukturen eingebunden.

Interesse an Stabilität

Die schwarz-rote Bundesregierung hat klare Bedingungen für die deutsche Beteiligung gestellt. So verlangt sie neben einem Mandat der Vereinten Nationen und der Zustimmung der kongolesischen Regierung die Befristung der Mission auf vier Monate, die Begrenzung des Einsatzes auf Kinshasa und die Beteiligung möglichst vieler EU-Staaten. Zur Begründung für die deutsche Beteiligung sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Bundestag, mit dem Einsatz solle das langjährige Engagement der Bundesregierung für den Kongo abgerundet werden. Deutschland habe tausende Polizisten und Soldaten ausgebildet und finanziere einen größeren Teil der Friedensmissionen. Würde sich Berlin jetzt verweigern, bedeute dies, die Stabilisierungsbemühungen kurz vor einem möglichen erfolgreichen Ende der Missionen einzustellen.

Henning Riecke, Experte für europäische Sicherheitspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, nennt den Einsatz trotz seiner großen Bedeutung eher eine „symbolische Geschichte“, die aber vor allem eines kann: das internationale Interesse an der Entwicklung des Kongo sichtbar machen. Deutsche Interessen macht Riecke auf drei Ebenen aus: zum einen mit der Absicherung eines „stabilen Kerns in Afrika“ den Druck auf die Bevölkerung zur Emigration in das reiche Europa abzumildern, zum zweiten die Handlungsfähigkeit der EU auf sicherheitspolitischem Gebiet unter Beweis zu stellen und zum dritten die Vereinten Nationen zu unterstützen. Dass ausgerechnet die stark beanspruchte Bundeswehr mit der Übernahme der Führungsrolle in die Bresche springen muss, hält er für „Pech“ – Großbritannien sei im Irak ausgelastet und Frankreich mit anderen Einsätzen in Afrika gefordert. „Da haben plötzlich alle uns angeguckt“, meint Riecke. Grundsätzlich ist die Übernahme von Verantwortung bei solchen Missionen eine Folge der eingegangenen Verpflichtung im Rahmen der EU Sicherheitspolitik.

Zahl der Soldaten

Über die Art der Truppen, die zum Einsatz kommen könnten, halten sich Bundeswehr und Einsatzführungskommando bis zur Truppengenerierung der EU noch bedeckt. Auf deutscher Seite könnten Sanitäter, Transport- und Logistikeinheiten, aber auch Fallschirmjäger und ein Einsatzgruppenversorger als Versorgungsbasis vor der Küste Gabuns zum Einsatz kommen. Im Falle des Einsatzes der schwimmenden Versorgungsstation rechnet Verteidigungsminister Franz Josef Jung sogar mit der Beteiligung von mehr als den ursprünglich gemeldeten 500 Soldaten, da die 200 Besatzungsmitglieder von der Marine streng genommen nicht zu den Einsatzkräften zählen. Dann müsste das Bundestagsmandat entsprechend auf 700 Soldaten angepasst werden, sagt er.

Von den insgesamt 1.500 Soldaten werden möglicherweise nur rund 500 in Kinshasa stationiert, die die Hauptstraßen patrouillieren und die Wahllokale sichern. Die anderen stehen nach gegenwärtiger Planung außerhalb des Kongo bereit und könnten im Krisenfall die Aufgabe übernehmen, Europäer aus Kinshasa zu evakuieren. Das „Field Headquarters“, das für die Planungen vor Ort zuständig sein wird, übernehmen voraussichtlich die Franzosen. Sie haben Erfahrung im Kongo gesammelt, etwa bei der Leitung der ersten EU-Mission 2003 im Osten des Landes, die den Namen Artemis trug.

Kostenfaktor und Exitstrategie

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, rechnet nicht damit, dass es bei dem ursprünglichen Rahmen von 500 deutschen Soldaten bleibt. Insofern sei auch die Kostenschätzung von 67 Millionen Euro nicht einzuhalten, sagt er und mahnt: „Das ist kein Kleingeld.“ Da Auswärtiges Amt und Bundeskanzleramt den Auftrag gegeben hätten, müssten sie „nach dem Verursacherprinzip“ auch dafür sorgen, dass die Kosten nicht zu Lasten des Verteidigungshaushaltes gehen. Er macht sich dafür stark, dass die Kosten auf den allgemeinen Haushalt umgelegt werden.

Befürchtungen, dass der Einsatz sich über einen längeren Zeitraum als die geplanten vier Monate erstrecken könnte, hat Verteidigungsminister Jung nicht. Das Mandat werde klar auf vier Monate fixiert, so dass die Soldaten bei einer Stationierung eine Woche vor der Wahl im Juni nach der Amtseinführung des neuen kongolesischen Präsidenten im September wieder abgezogen werden könnten. „Damit ist die Exitstrategie bestimmt“, sagt Jung. Für die Befriedung sei schließlich die MONUC zuständig. Gertz ist in Sachen „Exitstrategie“ nicht so optimistisch. Falls es während oder nach dem Wahlgang zu Ausschreitungen komme, könnten die Evakuierungsoperationen „sehr blutig“ werden, meint er.

Text: Claudia Kemmer
Foto: Picture-Alliance
Erschienen am 24. April 2006


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