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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Mission Missouri
Gültig ab: 05.08.2008 10:19
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Mission Missouri

Lena Walzer mit Kontrabass
Lena Walzer spielt leidenschaftlich gerne Kontrabass
© DBT/Werner Schüring

Mit dem Bundestagsstipendium in die USA

Lena Walzer (16) aus Berlin hat ihr elftes Schuljahr mit dem Parlamentarischen Patenschafts-Programm (PPP ) im Mittleren Westen der USA verbracht. Ein wahres Abenteuer: Sie joggte über Highways, sezierte Hasen und erklärte ihren Mitschülern, dass Deutschland in Europa liegt. Ein Erfahrungsbericht.

Nach 24 Stunden im Flieger kam ich endlich in St. Louis an, der zweitgrößten Stadt im Bundesstaat Missouri. Ich hatte zwei Koffer dabei, mein Kontrabass musste zu Hause bleiben. Dummerweise kam erst mal nur ein Koffer an. Am Flughafen warteten die Gasteltern Sheila und Dave und mein 14-jähriger Gastbruder Brett schon mit einem Schild. Sie begrüßten mich so herzlich, dass ich mich sofort wohlfühlte. Es war Anfang August 2007, als ich in das einstöckige Haus in einem Vorort von St. Louis einzog. Der Sommer war so heiß, dass man es fast nur im Swimmingpool draußen im Garten aushalten konnte. Das Wetter in Missouri ist viel extremer als in Deutschland, im Sommer heißer, im Winter kälter, und die Unwetter sind heftiger.

Meine Gastmutter Sheila hatte vor sieben Jahren einen schweren Autounfall, bei dem sie ein Bein verlor. Seitdem sitzt sie im Rollstuhl. Trotzdem ist sie sehr lebensfroh und aktiv. Ich habe viel mit meiner neuen Familie unternommen, wir waren im Tierpark und auf dem Minigolfplatz. Und in den Malls, den flughafengroßen Einkaufszentren. Ein paar Klischees stimmen dann doch: Die Fastfood-Kultur ist genau so, wie man sie sich vorstellt. Cola aus Ein-Liter-Trinkbechern, Kartoffelchips in der XXL-Packung und jede Menge Burger. Zum Glück besorgte meine Gastfamilie immer frisches Obst und Gemüse für mich. Aber meinem Lieblingsgericht Spinat musste ich komplett entsagen. Dafür bin ich jetzt süchtig nach Cola von Dr Pepper.

Auch das Bild vom Amerikaner, der an seinem Autositz festgewachsen ist, entspricht der Realität. In unserer Wohngegend gab es zum Beispiel gar keine Bürgersteige. Als ich erfahren habe, dass die Amerikaner nicht nur mit 16 ihren Führerschein machen, sondern auch nur 7,50 Dollar für die Fahrprüfung bezahlen, weil sie das Fahren mit den Eltern üben, war ich schockiert. Meine amerikanischen Freunde dagegen konnten nicht glauben, was der Führerschein in Deutschland kostet.

Kennengelernt habe ich meine Freunde beim Sport. In den Highschools gibt es keine Klassenverbände, in jedem Kurs sitzen andere Leute. Die wichtigen Gruppen sind hier die Vereine, vor allem die Sportklubs. Und dann gibt es noch die Cheerleader, die genau so sind, wie in den amerikanischen Highschool-Filmen. Chor und Orchester sind auf der Beliebtheitsskala eher hinten angesiedelt. Als leidenschaftliche Leichtathletin trat ich dem Cross-Country-Club bei. Der Berlin-Marathon ist nichts dagegen. Jeden Tag eine Stunde querfeldein laufen, danach Gewichte stemmen. Auch am Wochenende war individuelles Laufen „erwünscht”. Leider war die Umgebung meiner Schule nicht gerade mit Natur gesegnet. Wir liefen oft an Highways entlang, auf dem Seitenstreifen. Das war gleichzeitig eine Art Hindernislauf, so viele totgefahrene Tiere lagen am Straßenrand.

Lena Walzer vor der C 47 „Skytrain” am Deutschen Technikmuseum in Berlin, die als „Rosinenbomber” während der Berlinblockade 1948/1949 im Einsatz war
Lena Walzer vor der C 47 „Skytrain” am Deutschen Technikmuseum in Berlin, die als „Rosinenbomber” während der Berlinblockade 1948/1949 im Einsatz war
© DBT/Werner Schüring
Am Ende der Saison war ich in Form wie noch nie. Auch der Unterricht in der Schule war viel intensiver als in Deutschland. Man hat nur sieben verschiedene Kurse, die dafür aber jeden Tag. Ich habe einen Chemiekurs für Fortgeschrittene gewählt, der Hochschulniveau hatte. Damit bin ich für mein Chemieabi in Berlin gewappnet. Auch der Kurs „Menschliche Anatomie” war spannend. Wir haben sogar einen Hasen seziert: Haut abziehen, Muskeln auftrennen, Magen aufmachen, Herz herausschneiden. Mir hat das nichts ausgemacht, ich will immer noch Ärztin werden. Oder in die Forschung gehen. Den Bundestagsabgeordneten aus meinem Wahlkreis, der mir das Stipendium gab, habe ich über alle Erlebnisse per E-Mail auf dem Laufenden gehalten.

Meine Mitschüler waren sehr neugierig und offen, auch wenn es oft beim Small Talk blieb. Und bei manchen Fragen konnten einem die Haare zu Berge stehen. Ist Europa ein Land? Was, Deutschland ist nicht dasselbe wie Europa? Steht die Mauer noch? Ich musste echte Aufklärungsarbeit leisten, aber es hat auf jeden Fall geholfen. In vielen Dingen sind die Amerikaner total faszinierend. Eine so positive Einstellung zum Leben kennt man aus Deutschland nicht. Sie haben nicht so viele Zukunftsängste. Ihre größte Sorge ist momentan der Spritpreis. Außerdem schuften die Amerikaner sehr hart. Mein Dad Dave ist jeden Tag morgens um vier Uhr aufgestanden, hat bis abends gearbeitet, ohne bezahlten Urlaub. Jeder 16-Jährige hat einen Nebenjob im Diner oder als Babysitter. Von diesem Fleiß und Optimismus will ich mir viel mitnehmen. Auch meine Mum Sheila ist so ein Fall. Wie viel Mut sie hat, trotz ihrer Behinderung! Es war ein tränenreicher Abschied von meinem zweiten Zuhause. Ich musste so sehr weinen, dass ich nicht einmal mehr mein Flugticket aus der Tasche holen konnte, andere Passagiere mussten mir dabei helfen. Meine Mission ist jetzt erst mal beendet. Aber dass ich wieder zurückkehre, das ist nur eine Frage der Zeit. 

Protokoll: Lydia Harder
Erschienen am 13. August 2008

Weitere Informationen:

Was ist das PPP?
Das Parlamentarische Patenschafts- Programm (PPP) ist ein Austauschstipendium für Schüler, junge Berufstätige und Auszubildende zwischen dem US-Kongress und dem Deutschen Bundestag. Schüler müssen zwischen 15 und 17 Jahre, Berufstätige zwischen 16 und 24 Jahre alt sein. Die deutschen und amerikanischen Teilnehmer verbringen ein Jahr im Gastland. Bundestagsabgeordnete übernehmen die Patenschaft für die Jugendlichen. Bundesweit stehen etwa 360 Stipendien zur Verfügung. Bewerbungsschluss für 2009/2010 ist am 5. September 2008. Mehr Infos zur Bewerbung unter:
www.bundestag.de/ppp


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