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Gültig ab: 29.09.2005 00:00
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Ein Grundrecht geht online

Bild: Blick auf den Tischkreis
Sitzung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages.

ePetitionen im Bundestag – eine Erfolgsidee aus Schottland

Seit September 2005 können Petitionen online eingereicht werden. Der Bundestag startet damit einen Modellversuch, der zunächst auf zwei Jahre angelegt ist. Vorbild ist das schottische Parlament, das bereits seit 2004 mit öffentlichen Petitionen arbeitet. Die ePetitionen bieten neue Wege der demokratischen Mitbestimmung. Aber was genau steckt dahinter?

Unter www.bundestag.de kann jedermann seit dem 1. September öffentliche Petitionen einreichen. Die Eingaben an das Parlament werden auf der Website des Bundestages veröffentlicht und sind dort für alle Interessierten einsehbar. Darüber hinaus kann sich jeder Bürger anderen ePetitionen anschließen oder sie in einem Onlineforum diskutieren. Das Petitionsverfahren wird transparenter, und der Bürger erhält eine weitere Möglichkeit zur aktiven Teilhabe an Politik. „Der Petitionsausschuss stellt sich damit den Herausforderungen der neuen Medien“, sagt Karlheinz Guttmacher (FDP), der Vorsitzende des Petitionsausschusses der 15. Wahlperiode. „Mit dem neuen System geht er beim Einstieg in das Zeitalter des eParlaments dem Bundestag voran.“

Petitionen sind ein Grundrecht

„Petition“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Bitte“ oder „Ersuchen“. Wann immer jemand ein Problem hat, etwas anregen oder sich über etwas beschweren möchte, kann er beim Bundestag eine Petition, also eine „Bitte“ an den dafür zuständigen Ausschuss einreichen. Dieses Grundrecht ist seit 1949 im Grundgesetz verankert. Es gilt für jeden in Deutschland, egal ob erwachsen oder minderjährig, deutscher oder anderer Nationalität. Seit 1975 ist der Bundestag sogar verpflichtet, eigens dafür den Petitionsausschuss einzurichten. Er zählt zu den wenigen Ausschüssen, die das Grundgesetz vorschreibt. In der 15. Wahlperiode hatte er 25 Mitglieder und ebenso viele Stellvertreter, die sich nach dem Kräfteverhältnis der Fraktionen zusammensetzten.

Bisher wurden Petitionen schriftlich eingereicht, hohe Anforderungen waren nicht zu erfüllen: Ein Brief mit der Unterschrift des Verfassers, dem Petenten, reichte völlig. Diese Möglichkeit besteht natürlich weiterhin. Außerdem können Petitionen jetzt per E-Mail eingereicht werden – ein Service, den übrigens auch der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments anbietet. Letztes Jahr gingen beim Petitionsausschuss des Bundestages etwa 18.000 Eingaben ein. Eine Zahl, die in diesem Jahr bereits Anfang September erreicht wurde. Mit dem vereinfachten System der öffentlichen Petitionen dürfte diese noch weiter steigen. Der Ausschuss hat also alle Hände voll zu tun. Ein bunter Mix an Problemen und Anregungen trifft hier ein. Keine davon ist vergebens, denn der Petitionsausschuss prüft jede einzelne.

Die Schotten machen’s vor

„Mit der öffentlichen Petition und der Möglichkeit, bestehende Petitionen mitzuzeichnen oder zu kommentieren, wird das traditionelle Petitionswesen um ein partizipatives Element ergänzt“, sagt James Johnston, Sekretär des Petitionsausschusses beim schottischen Parlament. Und der muss es schließlich wissen, denn die Schotten haben es vorgemacht: Seit Februar 2004 können sie öffentliche Petitionen über das Internet an ihr Parlament einreichen. Die Idee kommt an: Ein Drittel aller Petitionen in Schottland ist mittlerweile öffentlich. Die ePetenten zeigen zudem reges Interesse, sich bereits bestehenden öffentlichen Petitionen anzuschließen oder an Diskussionen darüber online teilzunehmen. Das neue System wurde sogar beim Wettbewerb „eEurope Award“ im November 2005 nominiert.

Wie beim schottischen Vorbild hofft man, dass die ePetition auch in Deutschland eine Erfolgsstory wird: „Das System der öffentlichen Petitionen wird die alte Form des Petitionswesens revolutionieren“, sagt Ann Macintosh vom International Teledemocracy Centre der Napier University in Edinburgh, das sowohl das schottische als auch das deutsche System mitentwickelt hat. Und obwohl das Internet ein junges Medium ist, sollen mit dieser Innovation nicht nur junge Menschen angesprochen werden. Denn auch ältere Menschen kennen sich im Netz aus. „Die neue Methode wird von ihnen angenommen werden, weil sie sehen, dass sie mit ihrem Problem nicht allein sind“, ist sich Karlheinz Guttmacher sicher.

Statt Papier, Stift, Umschlag und Briefmarke braucht man nun Internet, E-Mail, Adobe Acrobat und JavaScript – und schon kann man das Onlineformular ausfüllen und absenden. Selbstverständlich wird dabei der Datenschutz gewahrt. Doch so ganz kann das neue System noch nicht auf Papier und Briefmarke verzichten: Anlagen zur Petition müssen weiterhin per Post an den Ausschuss gesendet werden.

Der Modellversuch ist gerade angelaufen. Einige öffentliche Petitionen liegen bereits vor. „Nun wird geprüft, ob sie den Regeln entsprechen, die unser Ausschuss für diese öffentlichen Petitionen aufgestellt hat“, sagt Karlheinz Guttmacher. Eventuell muss man sich auch noch einmal mit den Petenten über den Text abstimmen, bevor die Petitionen dann online gehen. Die nächsten zwei Jahre werden zeigen, ob die Deutschen das neue System als Möglichkeit zur Mitgestaltung der Demokratie so begeistert nutzen wie die Schotten. Die haben schon bewiesen, dass sie beim Thema Mitsprache nicht geizen.

Text: Georgia Rauer
Foto: studio kohlmeier
Erschienen am 30. September 2005

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