Durch die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ will sich der Bundestag auf der einen Seite ein aktuelles Bild davon machen, was „Kultur in Deutschland“ heute überhaupt ausmacht. Denn verbesserte Rahmenbedingungen kann der Bund nur schaffen, wenn er über brauchbares Basismaterial verfügt. Die letzte einschlägige Untersuchung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe liegt aber bereits 29 Jahre zurück. Auf der Grundlage einer nun erst zu erstellenden umfangreichen Daten- und Faktensammlung erhofft sich das Parlament Empfehlungen, mit denen die Kulturlandschaft geschützt, ausgestaltet und die Situation der Künstlerinnen und Künstler verbessert werden kann. Möglicherweise muss das auf ein administratives oder gesetzgeberisches Handeln hinauslaufen, wofür die Kommission ebenfalls Vorschläge entwickeln soll. Um möglichst zügig zu eventuellen Konsequenzen zu kommen, ist das Arbeitspensum der Kommission so bemessen, dass es binnen zwei Jahren (bis Herbst 2005) erledigt werden kann. Natürlich stellen sich die Mitglieder (1) der Kommission nicht blind und tun so, als stocherten sie in einen kulturellen Nebel hinein. Gezielt gehen sie zum Beispiel den Fragen nach, welches die optimalen Rechtsformen für Kultureinrichtungen sein können, welche Auswirkungen das öffentliche Dienstrecht auf diese Einrichtungen hat und welche Alternativen bestehen. Anknüpfend an die Erkenntnisse der Enquete-Kommission zur „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ wird ein wesentliches Augenmerk sicher darauf liegen, wie das private und bürgerschaftliche Engagement auf dem Kultursektor gestärkt werden kann. Dazu der Obmann der SPD-Fraktion Siegmund Ehrmann: „Wenn sich eine Bürgerstiftung bildet, um eine aufgegebene städtische Galerie zu retten, zeigt dies, dass auch moderne Formen, die wir zum Teil gesetzgeberisch eröffnet haben, greifen und vor Ort einen kulturellen Mehrwert organisieren.“
Nachdem sich die Kommission in einer Klausurtagung ein Arbeitsprogramm gegeben hat, sind inzwischen auch drei Unterarbeitsgruppen gebildet worden, die den drei Hauptschwerpunkten intensiv nachgehen werden:
Die Kommissionsvorsitzende Gitta Connemann stellt in diesem Zusammenhang gern die Frage, was von der heutigen Generation in hundert Jahren bleibe. Niemand könne heute wissen, welche der heute wirkenden Persönlichkeiten und debattierten Konzepte dann noch im Bewusstsein sind. Auf jeden Fall aber würden die Bauwerke, die Musik, die Theaterstücke, die Kunstwerke dann in der Wahrnehmung der Menschen verankert sein. Und das sowohl in der so genannten Hochkultur wie auch in der breiten Kultur: „So wie dies heute schon Dinge sind, die das Leben lebenswert machen.“ Die aber ganz offensichtlich bedroht sind. So verwies die Abgeordnete Ursula Sowa (Bündnis 90/Die Grünen) darauf, dass am Tag des Einsetzungsbeschlusses durch den Bundestag in Erfurt die allerletzte Theatervorstellung lief, und somit seitdem die erste deutsche Landeshauptstadt ohne Schauspiel auskommen muss. Für Ehrmann liegt in dieser Krise jedoch vielleicht auch eine Chance. Unter dem Druck der Verhältnisse habe sich die Kooperationsfähigkeit zwischen den Kulturverantwortlichen einzelner Institutionen deutlich verbessert.
Die Vorsitzende lobt das effiziente wie kompetente Miteinander im praktischen Umgang der Kommissionsmitglieder. Ob Arbeitsprogramm oder Schwerpunktbildung, ob Anhörungen oder gutachtliche Aufträge – stets seien die Entscheidungen in den ersten Monaten nahezu einvernehmlich erfolgt. Das habe selbst für die Themen gegolten, die ein Streitpotenzial in sich trügen, wie etwa die Soziokultur (2) auf der einen oder die Vertriebenenkultur (3) auf der anderen Seite. Fazit der Vorsitzenden: „Es gab lebhafte Diskussionen, dann aber auch die Akzeptanz der Interessen aller Mitglieder.“ Insofern spiegelt sich der von allen Bundestagsfraktionen gemeinsam getragene Antrag und Einsetzungsbeschluss auch in der praktischen Arbeit wider.
In der vorangegangenen Bundestagsdebatte formulierte der CDU-Abgeordnete Günter Nooke als mögliches Ergebnis den Satz, „dass Kultur nicht nur Kernaufgabe, sondern Pflichtaufgabe des Staates“ sei. Bis dahin sei es ein „schwerer, aber auch ein lohnender Weg“. Das Protokoll vermerkt dazu: „Beifall im ganzen Haus.“