Redner aller Fraktionen im Bundestag haben ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, dass die festgefahrene Debatte über eine gemeinsame europäische Verfassung wieder an Fahrt gewinnt. Zugliech würdigten sie die historische Chance, mit dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedsländer ab 1. Mai 2004 die Nachkriegsspaltung Europas endgültig zu überwinden.
In der Parlamentsdebatte vom 13. Februar 2004 warnten Vertreter der rot-grünen Koalition jedoch vor einem ständig steigenden Haushalt der Union, der die EU-Nettozahler angesichts eigener angespannter Haushaltslagen überfordern könnte. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Angelica Schwall-Düren sagte, es gebe "Grenzen der Belastbarkeit". Der EU-Haushalt müsse auf ein Prozent des europäischen Bruttonationaleinkommens begrenzt werden, wie es Deutschland zusammen mit Frankreich, Großbritannien, Schweden, Österreich und den Niederlanden Ende 2003 gefordert habe.
Von der Opposition wurde die Bundesregierung für den festgefahrenen EU-Verfassungsprozess mitverantwortlich gemacht. Am Vorabend der historischen Erweiterung stehe die EU vor einer schweren Krise, betonte der CDU-Abgeordnete Peter Altmaier. Es dürfe keine Frontstellung zwischen "großen und kleinen Mitgliedstaaten" geben. Sein Fraktionskollege Wolfgang Schäuble verwies darauf, dass ein Großteil der Bevölkerung noch nicht genügend überzeugt sei, dass die Überwindung der europäischen Spaltung "in unser aller Zukunftsinteresse liegt". Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gab ihrer Sorge Ausdruck, dass das "Schiff Europa" zu stranden drohe. Es gehe um eine demokratischere, bürgernähere Staatengemeinschaft, weshalb intensiver über den Wert der eurpäischen Verfassung geredet werden müsse.
Außenminister Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den 1. Mai 2004 als ein historisches Datum. Die Überwindung der Teilung Europas bringe Deutschland in seiner geographischen Mittellage "auf die Sonnenseite der Entwicklung". Das bedeute vor allem eine Verbesserung der Sicherheitslage im sich vereinenden Europa. Fischer unterstrich die Kompromissbereitschaft der Bundesregierung beim Überwinden noch vorhandener Hindernisse auf dem Weg zur europäischen Verfassung. Zugleich rief er die Opposition auf, bei der EU-Erweiterung keine Ausgrenzung einzelner Staaten vorzunehmen. Europa lebe davon, dass es "nicht auf den kleinen westeuropäischen Ansatz" reduziert werde. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler verwies ebenfalls auf den friedensstiftenden Charakter der europäischen Einigung und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Kosten der Kriege auf dem Balkan. Der Integrationsprozess spare unter diesem Aspekt auch immense Kosten. Angesichts der EU-Erweiterung dürfe die vertiefte Nachbarschaft mit den außerhalb dieser Grenzen liegenden Staaten nicht vergessen werden.
Rainder Steenblock (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, die wichtigen Aufgaben von Wissenschaft und Technik in der EU nicht zu vernachlässigen. Dem hielt Albert Rupprecht (CDU/CSU-Fraktion) entgegen, dass die riesigen Innovationsprogramme der Lissabonstrategie nicht realistisch seien. Europa müsse schlanker werden und sich auf seine Kernaufgaben besinnen. Er warf Bundeskanzler Gerhard Schröder vor, die zur Förderung der ostdeutschen Grenzregionen gemachten Zusagen nicht erfüllt zu haben. Bisher habe es dafür von der Regierung "Null Cent" gegeben. Claudia Winterstein (FDP) forderte, von der Gießkannenförderung wegzukommen und sich auf die schwächsten Mitglieder zu konzentrieren. Michael Roth (SPD) betonte, dass sich Europa als "starker politischer Akteur einer sozialen und ökologischen Politik" erweisen müsse. Petra Pau (fraktionslos) kritisierte, dass in der EU-Verfassung soziale Aspekte nur ungenügend berücksichtigt worden seien. So könnten die Bürger für dieses Projekt nicht gewonnen werden.