Wer im Ausland in einen Autounfall verwickelt war, weiß meist ein Lied davon zu singen, welch großer Papierkrieg daraus entstehen kann und wie schwer es ist, die entstandenen Schäden ersetzt zu bekommen. Zwar wurden bereits von der EU zahlreiche Regelungen zur Verbesserung der Situation erreicht, doch erst mit der jetzt im Europäischen Parlament in Straßburg in zweiter Lesung verabschiedeten 5. Richtlinie zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung sollen die letzten größeren Lücken im Versicherungsschutz geschlossen werden. Der neue Gesetzgebungsvorschlag soll es den Bürgern erleichtern, eine Kfz-Haftpflichtversicherung abzuschließen, einen effizienten und grenzüberschreitend gültigen Versicherungsschutz zu erhalten sowie ein Auto in einem anderen Mitgliedstaat zu kaufen oder zu verkaufen und Versicherungsschutz bis zur endgültigen An- oder Ummeldung jenseits der Grenze zu garantieren. Zugleich soll der Abschluss einer kurzfristigen Haftpflichtversicherung erleichtert werden, wozu oft Versicherungsgesellschaften nicht bereit waren. Dadurch soll auch ein Versicherungsschutz für Personen gewährleistet sein, die sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten oder die ein Kraftfahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben und dieses vor seiner Zulassung im Einfuhrland kurzfristig versichern müssen. Durch eine Pflichtversicherung soll der Rechtsschutz für die Opfer von Kraftfahrzeugunfällen verbessert werden. Wichtig ist dabei auch, dass bei einem Umzug in ein anderes EU-Land der Versicherungsschutz auch ohne automatische Ummeldepflicht erhalten bleibt.
Die Initiative zu diesem Schritt ging auf Beschwerden der Bürger zurück, deren Sorgen vom Parlament aufgegriffen wurden und im Jahr 2001 in die Aufforderung an die Kommission mündeten, die bestehenden Richtlinien zur Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge zu überarbeiten. Erste gesetzliche Regelungen waren zwar schon in den 70er- und 80er-Jahren erlassen worden, doch diese berücksichtigten weder die Handelsentwicklungen auf dem EU-Binnenmarkt noch den Anstieg des grenzüberschreitenden Verkehrs. Die ersten drei Richtlinien führten die Pflicht für alle Kraftfahrzeuge in der Gemeinschaft ein, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen (Kfz-Pflichtversicherung). Durch die allgemeine Geltung der Versicherungsbestätigung im gesamten Gebiet der Gemeinschaft machten die Richtlinien die Versicherungskontrollen an den Grenzen überflüssig. Dies war ein wichtiger Schritt zur Gewährleistung des freien und grenzüberschreitenden Personen- und Warenverkehrs. Doch der Versicherungsschutz erstreckte sich nicht auf Verkehrsunfälle, die sich in einem anderen Staat als dem Wohnsitzstaat des Geschädigten zutragen (gebietsfremde Geschädigte). Die vierte Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsrichtlinie sah schließlich einen wirksamen Mechanismus für die Regulierung von Entschädigungsansprüchen bei Unfällen im Ausland vor, verbunden mit der Pflicht der Versicherer, Ansprechpartner im Heimatland des Geschädigten zu stellen.
Nach der ersten Lesung des Ministerrats der EU hat das Parlament noch einige Änderungsanträge verabschiedet, die unter anderem den Versicherungsschutz noch effizienter gestalten und den Informationsaustausch erleichtern sollen. So fordern die Abgeordneten, dass der Versicherer die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung (Rechtsberatung, Sachverständige, Gerichtskosten) erstatten muss.
Um die Unfallberichte der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder anderer Behörden den Geschädigten und den Versicherern zur Verfügung zugänglich zu machen, sollen die Mitgliedstaaten eine öffentliche Internet-Seite einrichten. Aus einem solchen Zentralregister könnten alle interessierten Parteien die Dokumente aufrufen, wodurch die Regulierung von Unfallschäden beschleunigt und somit Kosten gesenkt werden könnten.
Der Mindestdeckungsbetrag soll eine Million Euro je Unfallopfer und, wie vom Parlament bereits in erster Lesung gefordert wurde, fünf Millionen Euro je Unfallereignis, ungeachtet der Anzahl der Geschädigten, betragen. Die ist nach Aussage des Abgeordneten Joachim Würmeling (EVP) vor allem deshalb notwen-dig, weil in Ost- und Südosteuropa immer noch sehr niedrige Deckungssummen Pflicht sind. Um diese Mindestdeckungssummen einzuführen, können die Mitgliedstaaten, falls erforderlich, eine Übergangszeit von bis zu fünf Jahren festlegen.