Bei der Vorstellung des Arbeitsprogramms der Luxemburger EU-Präsidentschaft hat Regierungschef Jean-Claude Juncker am 12. Januar im Europäischen Parlament in Straßburg eine ungewöhnlich breite Zustimmung erhalten. Nicht nur von seinen Parteikollegen der EVP, sondern auch von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, ja selbst von der Vereinigten Linken gab es lobende Worte. Ausschlaggeben war dabei vor allem, dass er sich im Zusammenhang mit der EU-Wachstumsstrategie von Lissabon klar gegen soziales Dumping und für den Erhalt des europäischen Sozialmodells ausgesprochen hatte. Die immer wieder als notwendig beschworene Flexibilität werde von vielen Unternehmen leider einseitig als Abbau von sozialer Grundsicherung verstanden. Gleichzeitig aber enttäuschte er die Erwartungen aller, die eine Aufweichung der Stabilitätskriterien bei der Reform des Stabilitäts- und Wachtstumspakts erhoffen. Doch betonte er genauso, dass der Wachstumsteil nicht unter den Tisch fallen dürfe und deshalb stärker auf konjunkturelle Schwankungen Rücksicht genommen werden müsse.
Größere Sorgen als eine Einigung über diese Reform, die er schon sehr bald für möglich hält, macht ihm die Möglichkeit, dass beim Ratifizierungsprozess zur Europäischen Verfassung durch die Parlamente und Bürger der 25 EU-Staaten etwas schief laufen könnte. Er räumte ein, dass die Verfassung zwar nicht perfekt sei, ihr Inhalt stelle aber die Frucht der Überzeugungen, des Willens und des Ehrgeizes der europäischen Politiker dar. Sie sei weder nach links noch rechts ausgerichtet. Auch wenn er sich auf Schwierigkeiten gefasst macht, zeigte er sich umso erfreuter über die enorm große Zustimmung zum Vertragtext im Europäischen Parlament.
Erhebliche Klippen stellen nach Junkers Ansicht die Aufgaben dar, den Prozess von Lissabon zu beschleunigen und die finanzielle Ausstattung der EU von 2007 bis 2013 zu sichern sowie den europäischen Rechtsraum weiter auszugestalten. Als Grundproblem warf Juncker den Europäern Angst vor wirklichen Reformen vor. Es sei bezeichnend, dass es zwar unzählige Leitlinien zur Beschäftigungspolitik gebe, die jedoch im Dickicht der Bürokratie stecken geblieben seien. Luxemburg strebt nationale Aktionspläne an, je nach Leistungsfähigkeit der einzelnen Staaten. Diese sollen mit den Sozialpartnern abgestimmt werden und dann zusammen mit den Parlamenten umgesetzt werden, die sie dann auch überwachen müssten.
Wenig Illusionen macht sich Luxemburgs Premier über die Kompromissbereitschaft mehrerer Mitgliedstaaten zur Verabschiedung der neuen finanziellen Vorausschau bis 2013. Er machte aber auch klar, wenn bis Juni keine Einigung erreicht werde, sei es unmöglich, zum 1. Januar 2007 die Herausforderungen der erweiterten EU zu bewältigen. Ein Misserfolg sei allerdings kein Scheitern des Luxemburger Vorsitzes, sondern ein Scheitern Europas.