Floret war der Werksarzt der "Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co" (heute Bayer AG) in Eberfelde. Unter der Leitung des Chemikers Heinrich Dreser, Chef des pharmakologischen Labors des Unternehmens, begannen die Farbenfabriken, Heroin erstmals am Menschen zu testen. Werksangehörige, sogar deren Kinder und die Wissenschaftler selbst schluckten zur Behandlung von Atemwegserkrankungen geringe Mengen davon und waren, so ist es jedenfalls überliefert, ihre Sorgen los. Mit diesen Versuchen begann der Siegeszug einer Substanz, die eigentlich Diacetylmorphin heißt, und unter dem Markennamen Heroin von den Farbenfabriken noch ab dem selben Jahr vertrieben wurde.
Leider konnte die Firma nur den Wortschutz für Heroin, nicht jedoch das Patent beantragen. Denn mehr als 20 Jahre vorher, im Jahr 1874, hatte ein britischer Chemiker die Substanz erstmals aus Morphin synthetisiert. Nachdem es dem deutschen Apotheker Friedrich Wilhelm Sertümer 1803 gelungen war, den Hauptwirkstoff des Opiums, eben jenes Morphin, zu isolieren, wurde die Substanz 1828 als stark wirksames Schmerzmittel auf den Markt gerbracht. Die Folgen jedoch konnten die Wissenschaftler nicht beruhigen. Morphium, so der bekanntere Name, gehörte bald zu jeder Hausapotheke und diente, trotz starker Nebenwirkungen, zur Behandlung sämtlicher schmerzender Krankheiten. Entscheidend für die rasche Verbreitung waren auch die Kriege jener Zeit: Im Krim-Krieg (1853 bis 1856), im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) und im amerikanischen Bürgerkrieg (1861 bis 1865) setzten die Ärzte massenhaft Morphium ein. Zu den schnellen Erfolgen in der Schmerztherapie gesellte sich bald ein neues Phänomen: Die Soldaten (und nicht nur sie) wurden abhängig. In den USA nannte man die Morphinsucht deshalb auch "Soldatenkrankheit". Wissenschaftler begannen nun, eifrig nach einem Mittel zu suchen, das verträglicher und weniger suchtgefährdend sein sollte als Morphin und fanden: Heroin.
Sein Siegeszug als Husten- und Schmerzmittel begann jedoch mit einem Irrtum, den einige Kollegen Dresers und Florets damals schon vermuteten, der aber erst Jahre später definitiv belegt wurde. Weder ökonomisiert Heroin die Atemarbeit, so Dresers hauptsächliche Begründung für die Einführung der Substanz als Arzneimittel, noch birgt es geringere Suchtgefahren als Morphin. So wundert es nicht, dass eine heftige wissenschaftliche Kontroverse mit der Einführung des Heroins einherging. Erstaunlich ist vielmehr, dass es sich dennoch so erfolgreich auf dem Markt etablieren konnte. Das hohe Ansehen der Farbenfabriken bei Ärzten und ein auf Hochturen laufender Propaganda-Apparat des Unternehmens sind wohl entscheidende Gründe dafür. Wissenschaftliche Studien, die die Ergebnisse Dresers bestätigten, und kostenlose Probepackungen wurden in großem Umfang an Ärzte und Kliniken verschickt.
Zunächst als Pulver, dann als wasserlösliches Salz, Saft oder Zäpfchen vermarkteten bald auch andere Firmen im In- und Ausland Diacetylmorphin. Und weil sie es nicht Heroin nennen konnten, wichen sie auf so schön klingende Namen wie Heroline oder Heromal aus. Der Name Heroin hatte sich derart durchgesetzt, dass er bald auch auf dem illegalen Drogenmarkt als Bezeichnung benutzt wurde. Ganz legal steigerten die Farbenfabriken ihren Heroin-Umsatz von 45 Kilogramm im Jahr 1898 auf 970 Kilogramm im Jahr 1913. Den größten Teil davon exportierte das Unternehmen in die USA (58 Prozent), mit weitem Abstand gefolgt von Russland (7,1 Prozent). Mit 6,8 Prozent bildete das Deutsche Reich den drittgrößten Absatzmarkt.
Fast schien es, als garantieren die USA den Erfolg des Hustenmittels Heroin. Doch bald verfolgte das Land eine Strategie, in deren Verlauf die Substanz zum größten Gegner, ja fast zum Staatsfeind hochstilisiert wurde. Im Gegensatz zu Europa konnte man in den USA der Jahre zwischen 1850 und 1930 sehr wohl von einem "Drogenproblem" sprechen, das sich zunächst auf Morphium, später auf Kokain und Rauchopium und schließlich auf Heroin konzentrierte, wenngleich letzteres von Politikern bewusst maßlos übertrieben und falsch dargestellt wurde. Nicht nur Krieg, Choleraepidemien und schlecht ausgebildete Ärzte ließen die Zahl der suchtkranken Opiatkonsumenten um 1890 auf 300.000 ansteigen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchlebten die USA eine Phase tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen: Einwanderer aus Europa und Asien ließen die Bevölkerungszahlen der Städte explodieren; die industrielle Revolution veränderte zusätzlich bisher überschaubare Strukturen; die damit verbundene soziale Verelendung schuf ein Konfliktpotential, das bewältigt werden musste.
Der weißen amerikanischen Mittel- und Oberschicht ging es jedoch nicht um die Ursachen. Sie bekämpfte mit repressiver Politik allein die Symptome und versuchte so, die "Übel" der neuen Zeit zu beseitigen. Und sie beruhigte damit ihre tief sitzende Angst vor einer Destabilisierung ihres puritanischen Wertesystems. Vermeintlich Verantwortliche waren schnell gefunden, denn während bei den chinesischen Einwanderern der Westküste vor allem Rauchopium beliebt war, zählten in erster Linie Schwarze, aber auch Studenten und Arbeiter der Südstaaten zu den Hauptkonsumenten von Kokain. Dass Kokain bald auch als "negro drug" betitelt wurde, verdeutlicht, dass diesem Drogenproblem ein soziales und rassistisches zugrunde lag. Mit zunehmenden Druck auf Schwarze und andere Kokain nehmende "Parasiten" und "Degenerierte" gelang es, seine Verfügbarkeit immer weiter einzuschränken. Ab 1910 war der legale Erwerb von Kokain unmöglich; ähnlich erging es dem Rauchopium: Der "Smoking Opium Exclusion Act" von 1909 verbot den Import von Opium in die USA. Heroin, bisher schon als Hustenmittel verschrieben, entwickelte sich nun zur "Ausweichdroge": Es war billig und als Pulver einfach zu konsumieren, dennoch wirkte es stark euphorisierend.
Einer breiten Front aus Ärzten, Politikern und Medien gelang es in den folgenden Jahren, nicht nur Heroin und deren Konsumenten zu kriminalisieren und als Ursache gesellschaftlicher Fehlentwicklungen zu deuten. Darüber hinaus schufen sie, ohne es damals freilich zu wissen, eine bis heute gültige Interpretation, nach der Heroin als die Droge schlechthin gilt. Hemmunglos wurden Statistiken und Zahlen gefälscht, um ein Klima zu schaffen, in dem Heroin als gefährlichstes, die Gesellschaft direkt bedrohendes Suchtmittel erschien. So verbreiteten die Gesundheitsbehörden von New York im Jahr 1918, in der Stadt gäbe es 140.000 Heroinabhängige, obwohl insgesamt nur 7.000 Süchtige registriert und nach Schätzungen tatsächlich etwa 20.000 Menschen süchtig waren. Die Verknüpfung von Heroin und Kriminalität ging so weit, dass Repräsentanten staatlicher Institutionen und in deren Gefolge die Presse die Gewissheit verbreiteten, Heroin stimuliere wegen seiner physiologischen Effekte direkt Gewalttätigkeit und kriminelles Verhalten. Außerdem scheuten sie sich nicht, Heroinsucht als ansteckende Krankheit darzustellen. Vor diesem Hintergrund und mit dieser Stigmatisierung ließen sich nicht nur national Gesetze verschärfen, die eine angemessene Behandlung von Suchtkranken unmöglich machte. 1919 untersagte eine Grundsatzentscheidung des Supreme Court die Verschreibung von Narkotika, wenn außer einer Abhängigkeit kein anderes Problem bestand, das eine Behandlung damit rechtfertigte. Seit 1924 bestand ein faktisches Heroinverbot.
Als angehende Weltmacht verstärkten die USA in jenen Jahren ihre Bestrebungen, auch international eine ähnliche Politik durchzusetzen. Mehrere Opiumkonferenzen des Völkerbundes (1909, 1925 und 1931) legten dafür die Grundlagen. Außerhalb ihrer Grenzen fanden die USA jene "Feinde", die dem Land das Drogenproblem überhaupt erst beschert hatten. Verschwörungstheorien, nach denen auf diese Weise das amerikanische Wertesystem ausgehöhlt werden sollte, trafen auch den Kriegsgegner Deutschland, dem vorgeworfen wurde, mit Drogen versetzte Kosmetik und Zahnpasta in die USA zu exportieren.
Konferenzen, die internationale Betäubungsmittelabkommen durchsetzten, waren dringend geboten. Zum einen wuchsen die Zweifel an der medizinischen Relevanz des Heroins, das sich nur in Nuancen von Morphin unterschied und dessen Suchtpotential von vielen Wissenschaftlern höher bewertet wurde. Zum anderen erreichte die Produktion von Opiaten zu Beginn der 20er-Jahre enorme Ausmaße. Eine unkontrollierte Herstellung und Verbreitung, das war sichtbar, beförderte die Entstehung riesiger illegaler Drogenmärkte. In den Jahren 1925 bis 1930 lag die jährliche Produktion von Morphin bei 39 bis 59 Tonnen; Deutschland hatte daran einen Anteil von 40 Prozent. Damit war das Land zwar der größte Hersteller der Ausgangssubstanz für Heroin, nicht aber der größte Produzent von Heroin. Hier lag die Schweiz mit 10,2 Tonnen an der Spitze.
Im Zuge der schrittweisen Reglementierung, Kontrolle und Verbote von Produktion und Handel mit Heroin brachen auch die Umsätze in Deutschland immer mehr ein: 1926 betrug der Heroinumsatz der Farbenfabriken nur noch 63 Kilogramm, ab Mitte 1940 stellte das Unternehmen die Produktion ein. Verboten war sie nicht. Bis 1917 unterlagen Handel und Verkehr mit Heroin, Morphin und Kokain Bestimmungen, die auch für andere stark wirkende Arzneimittel galten. Das Zweite Opiumgesetz von 1929 reglementierte die ärztliche Verordnung erstmals inhaltlich, in dem es Höchstgrenzen für eine pro Tag erlaubte Verschreibung festlegte. Es galt mit geringen Änderungen bis 1971. So genannte Narcotic Officers der Alliierten empfahlen jedoch schon nach 1945 die völlige Unterbindung der medizinischen Verwendung von Heroin. Ab 1955 durfte Heroin legal nicht mehr hergestellt werden. Anders ist das in Großbritannien, das mit einer (legalen) jährlichen Produktion von 300 bis 400 Kilogramm Heroin heute alleiniges Herstellerland ist. Nur dort und in der Schweiz wird Heroin noch für medizinische Zwecke verwendet.