Der 11. September 2001 steht als schreckliches Fanal dafür, dass es nach zwei Weltkriegen und nach dem Holocaust in unserer durch technische Möglichkeiten so eng wie nie zusammen gerückten Welt mehr offene und versteckte Brüche als wohl je zuvor gibt. Die Vorstellung, die Globalisierung würde dazu beitragen, mit den ethnischen, religiösen, kulturellen und sozialen Unterschieden besser umzugehen, ist gescheitert.
An unzähligen Stellen der Welt lodert flächenbrandartig ein unbändiger Hass auf. Ist noch eine Umkehr möglich? Der in Marokko geborene, in Frankreich lebende Schriftsteller Tahar Ben Jelloun versucht seit Jahren, darauf Antworten zu finden. Für seinen Kinderbuchbestseller "Papa, was ist ein Fremder?" erhielt er von der UNO den Global Tolerance Award.
Nun hat er mit seinem neuen Buch einen weiteren Anlauf unternommen, das Bewusstsein für ein tolerantes Miteinander zu schärfen. Das Buch richtet sich ebenso an Erwachsene wie an Jugendliche. In Frage und Antwort zwischen Tochter und Vater bezieht Jelloun aus historischer Sicht Stellung zu Themen wie Terrorismus, Fundamentalismus, Rassismus, Antisemitismus und Unterdrückung von Minderheiten.
Es zeichnet das reich illustrierte Buch aus, dass fast lückenlos alle gegenwärtigen Formen von Hassausbrüchen weltweit aufgespürt werden. "Wir leben in einer Zeit großer Verwirrung." Dafür macht der Autor den allgemeinen Verlust an humanen Werten verantwortlich. Er verurteilt den auf Intoleranz basierenden Fanatismus islamistischer Terrorgruppen, brandmarkt die unglaubwürdige Rolle der USA im Irakkrieg und geißelt Rassismus, Antisemitismus, die Unterdrückung islamischer Frauen und Homosexueller.
Für den dahinter stehenden Hass sieht Jelloun als Motive enttäuschte Hoffnungen und Angst. Er will keine komplexen Antworten zum Thema Hass geben. Dazu fehlt auf den wenigen Seiten auch der Platz. Als Muslim ist ihm vorrangig daran gelegen, Vorgänge zu erläutern, die mit der aggressiven Ideologie des Islamismus zusammenhängen, der vom friedfertigen Islam oft nicht unterschieden wird. Leider fehlt der vergleichende Blick auf andere Religionen und Bewegungen. Auf der Strecke bleibt auch eine klare Aussage dazu, dass der Heilige Krieg des Islam in seiner Frühzeit durchaus auf Eroberung zielte. Ebenso bleibt unbeantwortet, weshalb der Terrorismus vor allem ein muslimisches Phänomen ist.
Unscharf gerät auch der Differenzierungsversuch zwischen Selbstmordattentätern im Westen, deren Handeln er nicht nachvollziehen kann, und der Haltung palästinensischer Selbstmordattentäter, deren Motive er aus der oft starren Haltung Israels für erklärbar hält. Obwohl die Welt sichtbar aus den Fugen geraten ist, sieht Ben Jelloun sie noch nicht verloren. So lautet denn auch sein Credo, dass die Menschen bei gutem Willen doch zu einem friedlichen Miteinander in der Lage sein werden.
Tahar Ben Jelloun
"Papa, woher kommt der Hass?"
Gespräch mit meiner Tochter.
Rowohlt Berlin, Berlin 2005; 160 S., 14,90 Euro