Nach den Fraktionsvorsitzenden gehören die Parlamentarischen Geschäftsführer zu den einflussreichsten Abgeordneten einer Bundestagsfraktion. Die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Regierungsfraktionen sind die Abgeordneten Olaf Scholz (SPD), Norbert Röttgen (CDU) sowie dessen Erster Stellvertreter Hartmut Koschyk (CSU).
"Ich möchte meine Rede mit einer Formulierung beginnen, die in diesem Bundestag wahrscheinlich etwas häufiger fallen wird: Ich stimme den Ausführungen des Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion vollinhaltlich zu." Dies sagte augenzwinkernd Olaf Scholz während der konstituierenden Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 18. Oktober in der Geschäftsordnungsdebatte in Richtung seiner Ansprechpartner von der Union. Für die CDU/CSU hatte Norbert Röttgen zuvor begründet, wie viel Vizepräsidenten der 16. Bundestag haben soll. Dieser Satz des Abgeordneten Scholz zeigt, dass zwischen der Union und den Sozialdemokraten nach nahezu - auch häufig unversöhnlich scheinender - 36-jähriger politischer Gegnerschaft jetzt in der neuen Großen Koalition im Parlament moderatere und partnerschaftlichere Töne angeschlagen werden.
Scholz und Röttgen studierten Jura. Röttgen wurde 1993 als Rechtsanwalt am Landgericht Köln zugelassen und 2001 zum Dr. jur promoviert. Scholz ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Beide Politiker sind verheiratet: Röttgen mit der Rechtsanwältin Ebba Herffs-Röttgen, das Ehepaar hat zwei Söhne und eine Tochter. Scholz ist mit der SPD-Abgeordneten in der Hamburgischen Bürgerschaft Britta Ernst verheiratet. Röttgen ist Jahrgang 1965, geboren in Meckenheim bei Bonn. Scholz wurde 1958 in Osnabrück geboren. Koschyk, Jahrgang 1959, stammt aus Forchheim in Oberfranken. Auch er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Norbert Röttgen ist seit 1982 CDU Mitglied, er engagierte sich sofort in der Jungen Union (JU), gehört seit 1984 ununterbrochen dem Kreisvorstand der CDU Rhein-Sieg an, zur Zeit als stellvertretender Vorsitzender. Bis 1996 war er vier Jahre Vorsitzender der JU in Nordrhein-Westfalen. 2001 wurde er zum Vorsitzenden des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen gewählt. Seit 1994 - und damit in der vierten Wahlperiode - ist er Mitglied des Deutschen Bundestages, direkt gewählt im Wahlkreis 99 (Rhein-Sieg-Kreis II). In der CDU/CSU-Fraktion übernahm er 2002 die Funktion des rechtspolitischen Sprechers. Als Volker Kauder, der jetzige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Ende 2004 Generalsekretär der CDU Deutschlands wurde, folgte er ihm auf seinen Posten als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion. Der CDU-Politiker gehört zum engeren Beraterkreis von Angela Merkel. Im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl in diesem Jahr erarbeitete er mit CDU-Generalsekretär Kauder, dessen CSU-Pendant Markus Söder und dem Chef der Münchner Staatskanzlei Erwin Huber das gemeinsame Wahlprogramm der Schwesterparteien. Der Rheinländer Röttgen kann recht widerspenstig sein. Mit anderen jungen CDU-Abgeordneten wie Hermann Gröhe und dem zukünftigen CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hatte er sich im Frühjahr 1996 gegen den ausdrücklichen Willen des damaligen Bundeskanzlers und CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl für eine Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts eingesetzt.
Olaf Scholz trat 1975 in die SPD ein, engagierte sich zunächst bei den Jungsozialisten (Jusos), deren stellvertretender Bundesvorsitzender er von 1982 bis 1988 war. Die Jusos vertrat er als Vizepräsident in der International Union of Socialist Youth in den Jahren 1987 bis 1989. Bis 2000 war er sechs Jahre Vorsitzender des SPD-Bezirks Hamburg-Altona, seit 2000 ist er SPD-Landesvorsitzender in Hamburg. Dem SPD-Bundesvorstand gehört er seit 2001 an und war von 2002 bis 2004 Generalsekretär seiner Partei. 1998 bis 2001 gehörte er dem Deutschen Bundestag an. 2002 und 2005 wurde er - wie schon 1998 - direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises 20 (Hamburg-Altona).
Ende Mai 2001 wurde Scholz von Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) zum Chef der Innenbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg berufen. Nachdem die rot-grüne Koalition bei der Bürgerschaftswahl im selben Jahr ihre Mehrheit verlor, schied Scholz bereits Ende Oktober wieder aus dem Senat aus. Nach dem Rücktritt von Gerhard Schröder vom SPD-Vorsitz verlor auch Scholz Anfang 2004 das Amt des Generalsekretärs seiner Partei. Im Bundestagsuntersuchungsausschuss zur Visa-Affäre war er Obmann seiner Fraktion.
Dritter im Bunde ist Hartmut Koschyk. Er ist Nachfolger des nun zum CSU-Landesgruppenvorsitzenden gewählten Peter Ramsauer. 1978 machte Koschyk sein Abitur, trat in die CSU ein und wurde Offiziersanwärter in der Bundeswehr. Heute ist er Hauptmann der Reserve. Seine ersten politischen Sporen verdiente er sich in den 80er-Jahren als Assistent des CDU-Abgeordneten Helmut Sauer; neben seiner beruflichen Tätigkeit studierte er Geschichte und Politische Wissenschaften in Bonn. Von 1987 bis 1991 arbeitete Koschyk, Sohn aus Oberschlesien vertriebener Eltern, als Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen. Dem Bundestag gehört er seit 1990 an. Zunächst zog er über die CSU-Landesliste in das Parlament ein. Seit 1994 ist er im Wahlkreis 238 (Bayreuth) direkt gewählt. In seiner Fraktion übernahm er den Vorsitz der Arbeitsgruppe "Vertriebene und Flüchtlinge", war CDU/CSU-Sprecher in den Enquete-Kommissionen "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur" sowie "Überwindung und Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit" im 12. beziehungsweise 13. Bundestag. Nach der Wahl 2002 wurde er innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU.
Bei diesen drei Politikern laufen nun die politischen Fäden der Regierungsfraktionen zusammen. Gemeinsam mit Kauder, Struck und Ramsauer koordinieren sie die alltäglichen Arbeitsprozesse der Regierungsfraktionen im Bundestag. In jeder Sitzungswoche treffen sich die sechs Politiker dienstags zum Koalitionsfrühstück, um schon im Vorfeld Probleme aus dem Wege zu räumen. Parlamentarische Initiativen müssen von den Geschäftsführern auf die Vereinbarkeit mit dem Koalitionsvertrag überprüft und zugleich mit dem neuen Partner abgestimmt werden. Bei Entscheidungen im Bundestag müssen sie die Mehrheit sichern. Denn zu wechselnden Mehrheiten sollte es besser nicht kommen. Sie wären der umgehende Untergang eines politischen Bündnisses - in welcher Konstellation auch immer.