Wortlaut der Reden
Dr. Harald Schreiber, CDU/CSU | Helmut Schäfer (Mainz), FDP >> |
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute vormittag wurden die Abgeordneten zu Recht aufgefordert, sich nicht davon leiten zu lassen, was für sie persönlich hier in Bonn angenehm und bequem ist. Man kann das aber auch anders sehen. Ich gehöre nämlich zu denen, für die ein Parlamentssitz in Berlin bequemer wäre, schon wegen der kürzeren Entfernung vom Wahlkreis dorthin. Auch ich will jedoch meiner Entscheidung keine so simplen Motive zugrunde legen. Ich möchte mich aber auch nicht von Leidenschaft, vom Pathos großer Reden beeindrucken lassen. Es geht nicht um bewegende rhetorische Leistungen. Es geht für mich angesichts der schwierigen Lage in den neuen Bundesländern auch nicht vorrangig um historische Betrachtungen und schon gar nicht um Symbole oder Mythen. Es geht vielmehr darum, wie wir am schnellsten und wirkungsvollsten zu weiteren spürbaren Verbesserungen gelangen. Wenn ich mit großer Entschiedenheit für den Verbleib von Bundestag und Regierung in Bonn eintrete, dann bewegt mich dazu vor allem die Sorge um die Entwicklung in den neuen Bundesländern, ja, auch in Berlin. In der schlimmen DDR-Vergangenheit wurde Berlin in eine übermächtige Hauptstadtrolle hineinkommandiert, so daß der Name der Stadt zum Reizwort für viele Bürger wurde und heute noch vielfach ist. Gewiß, das kann sich in unserer Demokratie nicht wiederholen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) aber Berlin würde durch die Konzentration aller Institutionen und Aktivitäten zu einem Super-Ballungszentrum mit einer eigenen immanenten Dynamik. Wenn die Entscheidung für Berlin fiele, dann wäre ich schon dafür, sie konsequent zu fällen und Parlament und Regierung nicht auseinanderzureißen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Ich sehe keinen Sinn in einer solchen Teilung. Berlin-Vertreter haben in der Debatte angeführt, Berlin sei nicht die Megastadt, von der heute zuerst Norbert Blüm gesprochen hat. Das stimmt, aber es stimmt eben nur für die Gegenwart. Wenn wir alles, was politisch, wirtschaftlich und kulturell bedeutsam ist, nach Berlin schicken, wenn wir in Berlin alles das tun, was dann getan werden müßte, dann entwickelt sich dort ein Ballungszentrum, eine Megastadt, deren Einwohnerzahl weit über die heute 3,5 Millionen hinausgehen wird, mit einer Sogwirkung -- von ihr war schon die Rede --, deren Effekt die neuen Bundesländer wieder zum Hinterland degradieren würde, nun nicht auf Grund eines volksfremden Regimes, sondern dank der Eigendynamik der zu erwartenden Entwicklung. Die Wirkung aber wäre, wie gesagt, dieselbe. (Vorsitz: Präsidentin Dr. Rita Süssmuth) Eine Regierung in Berlin, so sagen manche, könnte der Entwicklung in den neuen Bundesländern Impulse verleihen. Das ist nach meiner Auffassung ein Trugschluß. Wir können nicht warten, bis die Funktionsfähigkeit einer Regierung in Berlin in einigen Jahren solche Impulse ermöglichte; sie kämen zu spät, viel zu spät. Wir brauchen in den neuen Bundesländern heute und nicht erst morgen noch deutlicher sichtbare Zeichen des Aufschwungs. Wir brauchen eine eigenständige Entwicklung in unseren Ländern, in den absolut nächsten Jahren. Um diese Entwicklung sollten wir uns gemeinsam über Parteien hinweg mit allen verfügbaren Mitteln und mit aller Kraft mühen. Wir können überall an der Lösung dieser Probleme arbeiten, hier in Bonn wie anderswo, aber wenn wir hier Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten haben, die wir anderswo -- auch in Berlin -- erst schaffen müssen, ist es für mich unverantwortlich, Zeit und Geld jetzt, ausgerechnet jetzt dafür zu vertun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Ich kann in einer Entscheidung für Berlin absolut auch keine Solidarität mit den neuen Bundesländern sehen. Ich halte es deshalb aus Sorge um die neuen Länder für vernünftiger, mit Bundestag und Regierung in Bonn zu bleiben. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, mit mir für den Bonn-Vorschlag, für die Bundesstaatslösung, zu stimmen. Danke. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat der Abgeordnete Helmut Schäfer das Wort. |