Wortlaut der Reden
Helmut Schäfer (Mainz), FDP | Horst Eylmann, CDU/CSU >> |
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies ist sicher eine große Debatte gewesen, die auch dem widerspricht, was wir in den letzten Tagen wieder, wie üblich, über die Politiker in der deutschen Presse lasen, (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Richtig!) die ja immer pauschal verurteilt werden als nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, die Debatte hat bewiesen, wie entschieden wir hier, sei es für Bonn, sei es für Berlin oder sei es für den Geißler-Vorschlag, sind. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, mich stört aber an dieser Debatte ein Zug, der heute nachmittag aufgekommen ist und den ich für sehr bedenklich halte. Nun wird plötzlich an dem Wort Glaubwürdigkeit Kritik geübt. Es kommen Leute und sagen, das Wort Glaubwürdigkeit könnten sie fast schon nicht mehr hören. Ich halte das allerdings für eine sehr bedenkliche Aussage. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Meine Damen und Herren, wenn das alles so schnell vergessen ist, dann hätten wir uns hier die vielen Stunden am 17. Juni eines jeden Jahres sparen können, in denen wir mit großem Pathos gemeinsam unser patriotisches Verständnis beschworen und den Arbeiteraufstand in Berlin gewürdigt haben. All das ist so schnell gar nicht mehr da und ist Makulatur geworden. Es überrascht mich doch, wie man hier plötzlich mit dem Wort Glaubwürdigkeit umgeht. Ich möchte als Außenpolitiker etwas zur Glaubwürdigkeit nach außen hin sagen. In vielen Gesprächen in der ganzen Welt, die immer wieder zu führen sind, und auch in Gesprächen hier in Deutschland mit vielen, vielen Besuchern, die wir täglich haben, sind wir gefragt worden: Was spielt sich eigentlich bei euch ab? Warum habt ihr uns jahrelang gezwungen, bei Besuchen der Bundesrepublik und des Regierungssitzes Bonn unbedingt nach Berlin zu gehen? (Dr. Horst Ehmke [Bonn] [SPD]: Weil es da noch den Kommunismus gab!) Jemand, der sich weigerte, hatte eigentlich schon eine sehr negative Note. Denn der Blick über den Potsdamer Platz war Pflicht bei allen Staatsbesuchen, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Heute erfahren die erstaunten Politiker aus der ganzen Welt, die immer der Meinung waren, natürlich würden die Deutschen wiedervereinigt, natürlich werde Berlin wieder ihre Hauptstadt und selbstverständlich ihr Regierungssitz, daß die Deutschen selber angefangen haben zu zweifeln. Ein europäischer Außenminister hat mir schon vor Monaten bei einer Diskussion im Europarat auf die Frage, wie sie es denn in den westlichen Hauptstädten in Europa aufnähmen, es werde ja behauptet, es könne Sorgen in Paris, in London und sonstwo hervorrufen, geantwortet: Wenn Sie Berlin zu einem Problem in Deutschland machen, dann allerdings werden auch wir nachdenklich und müssen sagen, wenn die Deutschen vor der Entwicklung Angst haben, müssen vielleicht auch wir im Ausland Angst vor der Entwicklung bekommen. So ist es doch gelaufen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Meine Damen und Herren, hier wird so hehr vom Föderalismus dahergeredet, der angeblich kaputtgehe, wenn wir nach Berlin gingen. Dazu kann ich nur sagen: Herr Rau hat heute ein interessantes Beispiel für den echten Föderalismus geliefert. Er hat nämlich bei seiner Rede gesagt, die ja sehr erheiternd und munter war: Die zwölf Landtage mögen ja entschieden haben; aber wir, der Bundesrat, entscheiden nächste Woche, und, meine Damen und Herren, Sie werden sehen, ganz anders. Also, das ist ein interessantes Föderalismus- und Demokratieverständnis. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Der gleiche Herr Rau, der mit so vielen hier die Angst vor der Megastadt beschwört, vor dieser grauenhaften, monströsen Stadt, die uns alle noch das Fürchten lehren will, hat in seiner Regierungserklärung 1990 in Düsseldorf gesagt, angesichts des Europas der Regionen, bei denen ja die Nationalstaaten alle verschwinden -- ich halte das für eine sehr verfrühte Bemerkung; das muß ich Ihnen sagen; er muß sich einmal in Paris und in London umhören --, (Dr. Peter Glotz [SPD]: Manchmal muß man in die Zukunft schauen, Herr Schäfer!) müsse Nordrhein-Westfalen in allen Metropolen der Welt durch große Vertretungen präsent sein. -- Es ist hochinteressant, daß man offensichtlich die Angst vor der Megastadt in Nordrhein-Westfalen verloren hat. Hier wird gesagt, meine Damen und Herren, die junge Generation denke ganz anders; sie habe kein Verhältnis zu Berlin mehr. Herr Pflüger, ich schätze Sie sehr. Aber ich muß Sie fragen: Welche junge Generation meinen Sie? Meinen Sie die Generation, die ihren Urlaub inzwischen im wesentlichen auf den Seychellen verbringt? Meinen Sie die Generation, die mit 25 Jahren schon so arriviert ist, daß sie natürlich über Hauptstädte gar nicht mehr nachdenkt? Meinen Sie eine Generation, die Herr von Dohnanyi, ein Vorgänger im Amt des Staatsministers, einmal die Toskana-Fraktion der Hedonisten genannt hat? Diese Frage darf ich mir hier auch einmal erlauben. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE -- Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Warum greifen Sie die SPD so an?) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß nur eines sagen: Ist nicht die hier beschworene Angst vor der Megastadt Berlin in Wahrheit Angst vor der Moderne, Angst vor einer Stadt, in der wie nirgends in Deutschland die Probleme kulminieren, in der aber auch die Kultur da ist? Herr Verheugen, Sie sprechen vom Zentrum der Macht und sagen, das sei entsetzlich. Lassen Sie doch endlich einmal das Zentrum der Macht, nämlich den Regierungs- und Parlamentssitz, mit dem Zentrum der Kultur konfrontiert werden! Es wäre eine glänzende Herausforderung für uns alle, die wir seit langem hier in Bonn diese Begegnung vergeblich suchen. Vielen Dank. (Lebhafter Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horst Eylmann. |