Wortlaut der Reden
Ludwig Eich, SPD | Dr. Andreas Schockenhoff, CDU/CSU >> |
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicher wahr, daß diese Entscheidung mehr als sonst unter dem Gesichtspunkt der Berechenbarkeit und der konkreten Hinwendung zu den betroffenen Menschen geprüft wird. Die Berliner argumentieren, wie mein Vorredner hier gerade geschildert hat: 40 Jahre wurde gesagt, Berlin ist die Hauptstadt, und das mit allen Konsequenzen. Die Berliner sind in dieser Frage sicher betroffen. Aber ist das die Betroffenheit in aller Gänze? Ich frage also: Wer ist hier noch betroffen? Welche Verantwortung ist in 40 Jahren in Richtung Bonn gewachsen, welche Verantwortung tragen wir für diese Menschen? Meine konkrete Betroffenheit -- das gebe ich zu -- hat damit zu tun, daß ich Rheinländer bin. Ich werde mich keine Sekunde dafür entschuldigen, wenn ich sage: Ich spreche als Rheinländer, ich spreche für meine Heimat. Meine Verbandsgemeinde Asbach (Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: »Asbach uralt«!) hatte 1950 etwas mehr als 10 000 Einwohner; sie hat heute etwas mehr als 18 000 Einwohner. (Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Genauso wird es Brandenburg gehen!) Das ist in diesen 40 Jahren eine Zunahme der Bevölkerung um 75 %. Das ist für die Kommunen eine gewaltige Aufgabe, (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Da hätten Sie Kommunalpolitiker bleiben sollen!) die damit zu tun hat, daß es den Regierungs- und Parlamentssitz Bonn gab. Wohnungsprobleme waren zu lösen; Infrastruktur mußte geschaffen werden; vom Krankenhaus bis zum Altenheim mußte viel geschehen. Dabei ging es nicht nur um Kosten, sondern das hat auch etwas mit Landschaftsverbrauch zu tun, wenn hier die Frage der Ökologie auch einmal eine Rolle spielen darf. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU -- Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Rheinschiene!) Ich erinnere mich an so manchen Konflikt zwischen den Neusiedlern und den Altbürgern. Ich erinnere mich daran, daß die Neusiedler kamen, ihre Häuschen bauten und als erstes eine Hecke, eine Mauer darum zogen. Heute sind sie Mitglieder unserer Dörfer, unserer Gemeinden, unserer Vereine. Ich will damit klar sagen: Hier ist eine Struktur gewachsen, nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell. Ich denke, dies ist bei der heutigen Entscheidung wichtig. Auch von den Befürwortern Berlins kann nicht ignoriert werden, daß eine Verantwortung für diesen Bereich gewachsen ist. Das Versprechen für Berlin kann nur insoweit tragen, als diese Verantwortung für Bonn und das Rheinland nicht entstanden ist. Nein, wir haben uns in den Gemeinden und Kommunen nicht auf ein Provisorium eingerichtet. Wir haben uns auf Menschen eingerichtet. Ich weiß auch nicht, wie man es machen kann, einen provisorischen Flächennutzungsplan oder eine provisorische Infrastruktur zu schaffen. (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Warum habt ihr dann die ganze Zeit so geredet?) Ich denke, das ist völlig klar. Ich möchte deswegen auch von den Berlinern einmal hören, daß es hier ein Stück Verantwortung gibt. Wir haben uns für die Menschen und für die Bewältigung eines Problems entschieden. Wenn hier Berechenbarkeit gefordert ist, dann bitte auch in dieser Richtung. Wir stehen vor einem Dilemma, weil es zutrifft, daß wir zwei Denkstrukturen, zwei Erfahrungen, zwei Welten mit zwei Hauptstädten und natürlich mit zwei gewachsenen Strukturen haben. Ich finde es nicht komisch -- ich widerspreche dir nicht gern, lieber Hans-Jochen --, wenn hier der Eindruck erweckt wird, daß man Bonn für seine Rolle in der deutschen Geschichte mit einem Programm der Strukturhilfe abfinden kann. Das kann ja wohl nicht wahr sein. (Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Vorschlag Geißler!) Die Rolle Bonns in der deutschen Geschichte hat etwas mehr verdient. Sie hat vor allem Verantwortung verdient. Wenn von Solidarität die Rede ist -- meine Redezeit ist zu Ende --, (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Zu Recht!) dann ist es nicht richtig, wenn erwartet wird, ein Stück dieser Infrastruktur in dem Glauben hinüberzutransportieren, man könne dabei irgend etwas gewinnen. (Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Schon zweimal gesagt!) Nein, wir müssen uns für beide Bereiche entscheiden, weil wir für beide Bereiche Verantwortung tragen. Ich bin sicher, meine Entscheidung für Bonn wird nicht nur vor der Geschichte, sondern auch und besonders vor den Menschen Bestand haben. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des Abg. Dr. Klaus-Dieter Feige [Bündnis 90/GRÜNE]) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schockenhoff. |