Wortlaut der Reden
Gunter Huonker, SPD | Karl-Heinz Spilker, CDU/CSU >> |
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sachargumente sind viele ausgetauscht. Ich möchte mich auf einen Punkt beschränken, auf das Thema der Glaubwürdigkeit. In der heutigen Debatte wurde häufig gesagt, der Deutsche Bundestag hätte sich in den vergangenen Jahren immer wieder oder ständig durch Beschlüsse zu Berlin als Hauptstadt bekannt. Das Verbleiben von Parlament und Regierung in Bonn zerstöre deshalb Vertrauen in politisches Handeln. Immer wieder Bekenntnisse zu Berlin als Symbol der Freiheit, zur Wahrung seiner Lebensinteressen -- das ist gewiß wahr. Es trifft aber nicht zu, daß der Bundestag in den vergangenen Jahren immer wieder Beschlüsse zur Hauptstadt Berlin gefaßt hat. Abgesehen vom Einigungsvertrag, stammt der letzte Beschluß dieses Hauses zur Hauptstadt Berlin vom 15. März 1962. Für diese Abstinenz, meine Damen und Herren, gab es jedenfalls seit Beginn der 70er Jahre gute deutschland- und berlinpolitische Gründe. Nur, wer gegen eine Entscheidung für Bonn die Glaubwürdigkeit ins Feld führt, der müßte offen sagen, daß sich dieser Deutsche Bundestag das letzte Mal vor 29 Jahren, d. h. vor einer Generation, durch Beschluß zur Hauptstadt Berlin bekannt hat. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Der Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen hat dies noch im letzten Jahr einstimmig getan!) -- Ihnen ist bekannt, warum damals das Votum des innerdeutschen Ausschusses, auf das Sie Bezug nehmen, im Einvernehmen aller großen Fraktionen nicht auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages gesetzt worden ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist die Wahrheit. Wer etwas Gegenteiliges sagt, der verschweigt die Wahrheit. (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Um den Streit zu vermeiden!) Meine Damen und Herren, was hat sich in einer Generation fundamental geändert? Was ist neu? Ich erwähne das Thema Europa. Zur geschichtlichen Kontinuität gehört auch der geschichtliche Wandel. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die von Willy Brandt eingeleitete Deutschland- und Ostpolitik ist dafür ein schlagender Beweis. Ich bitte die Älteren unter uns, sich einmal an jene dramatische Debatte am 24. Februar 1972 um den Moskauer und Warschauer Vertrag zu erinnern, als der CDU-Abgeordnete Dr. Marx, der außenpolitische Sprecher, mit dem Stichwort Glaubwürdigkeit die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten angegriffen hat. Es empfiehlt sich nachzulesen, was die Vertreter der sozial-liberalen Koalition damals entgegnet haben. Ich füge hinzu: Manche Vorwürfe an die Adresse der Bonn-Befürworter, die heute gemacht worden sind, wären wohl relativiert worden, wenn man die damaligen Maßstäbe beim Stichwort Glaubwürdigkeit auch heute gelten lassen würde. Ich berufe mich nicht darauf, daß ich dem Deutschen Bundestag 1962 nicht angehört habe, aber ich will schlicht und einfach darauf hinweisen, daß es seit jener Zeit keine Gelegenheit gegeben hat, über Hauptstadt und Sitz von Parlament und Regierung zu diskutieren und darüber zu entscheiden. Ich füge gleich hinzu: Ist es eigentlich fair, wenn in dieser Debatte gefragt wird, warum denn die Anhänger Bonns vor dem Fall der Mauer keine Hauptstadtdiskussion geführt hätten, wenn doch jedermann weiß, daß wir in jener Zeit alle Hände voll damit zu tun hatten, das Lebensrecht Berlins zu sichern und seinen Status auszubauen? Das war damals unsere Aufgabe, und nicht die Diskussion um eine Hauptstadt. Daher glaube ich, wenn wir alle miteinander wahrhaftig diskutieren und wirklich glaubwürdig sein wollen, daß wir mit Vorwürfen, wie sie heute an die Adresse der Befürworter des Bonn-Antrags geäußert worden sind, etwas sorgsamer umgehen sollten. Es könnte sonst sein, daß die Vorwürfe mangelnder Glaubwürdigkeit dazu führen, daß die notwendige Auseinandersetzung mit Sachargumenten, für oder gegen Bonn, für oder gegen Berlin, zu kurz kommt. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine Damen und Herren! Ehe ich dem Abgeordneten Spilker das Wort erteilt, fühle ich mich verpflichtet, das Haus zu informieren. Die Zahl derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die ihre Rede zu Protokoll geben, steigt, aus meiner Sicht erfreulicherweise. (Beifall) Ich bin natürlich weit davon entfernt, irgend jemanden beeinflussen zu wollen, aber es erleichtert die Geschäftslage ungemein, wenn diejenigen, welche die Absicht haben, sich ähnlich zu verhalten, das auch tun, denn dann könnte ich Sie noch besser informieren, als ich dazu jetzt schon in der Lage bin. In diesem Sinne möchte ich also gerne ein wenig Nachdenklichkeit erzeugen. Herr Abgeordneter Spilker, nun haben Sie das Wort. |