Petra Pau ist Mitglied der Bundestagsfraktion Die Linke. Im Präsidium des Deutschen Bundestages ist sie neu. Sie baut auf nie versiegende Neugier und Erfahrung.
Petra Pau sitzt auf einem Stuhl, der den Namen Catifa 46 trägt. Chrom bicolor, vorn weiß, hinten anthrazit. Ein schönes Stück, das sich vor dem Neptunbrunnen nahe des Berliner Rathauses wacker gegen den riesigen bronzenen Kerl mit dem Dreizack behauptet. Petra Pau, von Statur eher klein und schmal, behauptet sich sowieso. Das halten viele seit jeher für ein Phänomen.
Denn Petra Pau gehört eigentlich zu den Stillen. Ruhig ist sie aber nicht. Wenn sie erzählt, über sich, über die verschiedenen Arten, Politik zu machen, über das Leben damals und die Arbeit heute, dann spricht sie zwar schnell, aber das erweckt nicht den Eindruck von Hast. Manchmal schiebt Petra Pau ein kurzes Lächeln zwischen zwei Sätze. So ein für sie typisches Lächeln, bei dem die Augen ein bisschen kleiner werden, die Sommersprossen in Bewegung geraten und der Kopf etwas zur Seite geneigt ist. Das Lächeln kommt und geht und manchmal denkt man: Hat sie jetzt gerade gelächelt?
Die 1963 in Berlin geborene Politikerin hat eine tiefe Stimme. Bei einem Mann sagt man: eine sonore Stimme. Für Frauen ist das passende Wort noch nicht gefunden.
Petra Pau wurde erst am 7. April 2006 zur Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages gewählt. Das hatte Gründe. Ihr Kollege Lothar Bisky, der erste Vorschlag seiner und ihrer Fraktion, war von der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten bei den Wahlen zum Präsidium abgelehnt worden. Mehrfach. Danach blieb dieser Platz im Präsidium einige Monate unbesetzt. Im März 2006 dann erklärte Petra Pau, sich zur Wahl zu stellen. Einmal. So hat sie es angekündigt und ist dann im ersten Wahlgang Vizepräsidentin geworden. Hinterher bescheinigte ihr ein CSU-Kollege, er habe zum ersten Mal in seinem Leben eine Kommunistin gewählt. Petra Pau schöpft aus solchen Sätzen Hoffnung. Sagt sie. „Es wird Normalität, dass im Bundestag eine Linke sitzt. Ich verstehe mich auch als Vermittlerin dieser Normalität.“
„Gemeinsam mit einem Kollegen von der CDU habe ich dafür gefochten, dass man Geschichte nicht einfach nur durch die Umbenennung von Straßen entsorgen darf.“
Sie hat sich vorher gut überlegt, ob sie das will und ob die Arbeit im Präsidium sie in dem einschränken wird, was sie alles tun möchte. „Ich bin mit Leib und Leben Abgeordnete und habe mich gefragt, ob die einer Vizepräsidentin auferlegte Zurückhaltung und Überparteilichkeit zum Problem werden könnte.“
Sie sind nicht zum Problem geworden. Petra Pau arbeitet und engagiert sich weiter im Innenausschuss des Bundestages, sie hält Reden im Bundestag und bemüht sich, ausreichend Zeit für die Themen Bürgerrechte, Demokratie und Kampf gegen Rechtsradikalismus zu finden. „Ich will und werde mich weiter einmischen.“
Als Petra Pau das erste Mal eine Plenarsitzung leitete, hielt sich ihre Aufregung in Grenzen. Das hat auch damit zu tun, dass sie von 2002 bis 2005 eine von zwei fraktionslosen Abgeordneten der PDS war, die mit einem Direktmandat in das Parlament gewählt worden sind. „Die drei Jahre zu zweit im Bundestag haben mir eine ausgezeichnete Kenntnis der Geschäftsordnung eingebracht, um alle Möglichkeiten ausschöpfen zu können, die es für uns zwei Frauen, Gesine Lötzsch und mich, gab. Außerdem haben wir bei Plenarsitzungen fast ununterbrochen im Plenarsaal gesessen. Da lernt man die Abgeordneten der anderen Fraktionen kennen und natürlich auch ausführlich, wie Sitzungen geleitet werden.“ Der erste Satz, den Petra Pau in ihrer ersten „Schicht“ als Vizepräsidentin zu sagen hatte, lautete: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, verlassen Sie bitte den Saal und schließen Sie die Türen.“ Und alle Abgeordneten verließen den Saal. Ein Hammelsprung war notwendig, jene Abstimmung, bei der das Votum durch Betreten des Plenarsaales abgegeben wird. Petra Pau fand diesen Einstieg in die neue Arbeit schön. Und ein bisschen Witz hatte er auch.
„Es wird Normalität, dass im Bundestag eine Linke sitzt. Ich verstehe mich auch als Vermittlerin dieser Normalität.“
Die politische Biografie der einstigen Lehrerin Pau hat in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit 1991 begonnen. Da war sie 28 Jahre alt, Mitglied der PDS, hatte gerade eine Organisation der nicht mehr existierenden DDR abgewickelt und saß bereits seit einigen Monaten in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Hellersdorf. 1991 wurde sie stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner PDS. Das war wichtig, aber fast noch wichtiger in ihren Augen waren die Jahre als Bezirksverordnete. „In diesen Jahren waren so viele auf der Suche. In der BVV wechselten andauernd Bezirksverordnete die Fraktion und die Partei, alle wollten ihren Platz finden und den richtigen Weg dazu. Ich war damals Mitglied in einem Ausschuss, der für Straßenumbenennungen zuständig war, eine heiß umkämpfte Angelegenheit. Gemeinsam mit einem Kollegen von der CDU habe ich dafür gefochten, dass man Geschichte nicht einfach nur durch die Umbenennung von Straßen entsorgen darf. Sondern sich auseinandersetzen muss. Wirklich“, sagt sie, „ich habe in diesen Jahren viel gelernt. Über dieses Land und darüber, wie man kämpft und zugleich andere einbezieht und vermittelt, wofür man kämpft.“
Das Vermitteln von Zusammenhängen, Sachverhalten, Anliegen, Haltungen, Denkarten ist für Petra Pau eine wichtige Angelegenheit. Mit Empathie gesagt: eine Herzensangelegenheit. Als PDS-Landesvorsitzende in einer einst geteilten Stadt hatte sie es mit einer ganz bunten Mischung von Interessen zu tun. Es gab Zäsuren. Die Begegnung mit der Witwe des ersten Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, Mitte der Neunziger zum Beispiel sei prägend gewesen, sagt Petra Pau. Ebenso die Diskussion, die sie führen musste, nachdem sie 2001 mit einer Parteikollegin eine Erklärung zur Vereinigung von KPD und SPD abgegeben hatte. „Da kam an dem Nachmittag bei einer Veranstaltung eine alte Frau zu mir und sagte, sie könne eine wie mich zwar weiterhin nicht wählen, aber es fiele ihr nun leichter, eine wie mich zu akzeptieren.“
Petra Pau nahm und nimmt Auseinandersetzung mit Geschichte ernst. Manche finden zu ernst, bei anderen ist es genau das, was die Frau mit der sehr typischen DDR-Biografie zu einer geachteten Gesprächspartnerin macht. Das und die Nachdenklichkeit, mit der die Politikerin auf vieles schaut. Auf das Verhalten in der und das Verhältnis zu Vergangenheit, auf Anpassung und Widerständigkeit, auf die Veränderungen, die mit einer passieren, wenn sie öffentliche Person ist. Und auf die Zeit, in der sie als Bezirksverordnete darum gestritten hat, ob Parkbänke grün oder rot gestrichen werden sollen. Rot? Petra Pau lächelt und lässt offen, ob das damals ernsthaft in Hellersdorf in Erwägung gezogen worden ist. Akzeptanz hat sich Petra Pau hart erarbeiten müssen. Sie wurde gern, wie sie sagt, in Schubladen gesteckt, damit die Dinge einfacher liegen. Solche Schubladen wie Reformerin, Parteisoldatin, Notnagel, Frontfrau, Nachwuchspolitikerin, Ostgewächs. Eine gewisse ironische Distanz dazu ist notwendig. Deshalb stehen alle „Schubladen“, in die Petra Pau schon mal gesteckt wurde, auf ihrer Homepage aufgelistet.
Petra Pau ist eine geduldige Frau. Das sagen viele und sagen ihr zugleich eine glückliche Hand nach. Dafür spricht, dass es ihr Jahr für Jahr gelingt, auf ihrem Balkon in einer Hellersdorfer Plattenbauwohnung essbares Gemüse zu züchten. Und zwar in respektablen Größen und Mengen. Zucchini zum Beispiel und Tomaten. Manchmal, wenn sie nachts nach Hause kommt, ruft sie erst den Pizzaservice an, um eine Margherita zu bestellen, und geht dann auf den Balkon, um ihre Tomaten zu gießen. Ob die jemals auf einer Margherita landen, weiß man nicht. Vielleicht sind sie nur zur Freude am Erfolg da.
Petra Pau (Die Linke.)
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages
Geboren
9. August 1963 in Berlin
Wohnort
Berlin
Ausbildung
Fachschulstudium zur Unterstufenlehrerin für Deutsch und
Kunsterziehung; Hochschulstudium an der Parteihochschule
„Karl Marx“;
Diplom-Gesellschaftswissenschaftlerin
Beruf
Lehrerin
Familie
verheiratet
Politischer
Werdegang
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 31. Januar 2007