Das gleißende Licht der Sonne spiegelt
sich in den Glasfassaden der Bundestagsgebäude. Es ist ein
warmer Apriltag. Carina, 16, kneift die schwarz umrandeten Augen
zusammen. Im ebenso schwarzen Haar trägt sie eine
Totenkopfspange. Sie ist Beamtin in spe, sagt sie, möchte in
der technischen Verwaltung arbeiten, am liebsten im Deutschen
Bundestag. Sie fällt auf in der Masse der Mädchen, die
heute, am Girls' Day, den Bundestag besuchen, optisch und wegen
ihres selbstbewussten Auftretens.
In der Schule haben sie ihre männlichen Mitschüler
längst überholt — und trotzdem entscheiden sich die
meisten jungen Frauen für „typisch weibliche”
Berufe. In vielen Fällen bedeutet dies: schlechte Bezahlung
und wenig Perspektiven. Besonders in technischen Berufen gibt es
kaum weiblichen Nachwuchs. Deswegen haben vor sieben Jahren das
Bundesministerium für Bildung und Forschung und das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den
Girls' Day ins Leben gerufen. Über 8.100 Veranstaltungen und
137.000 Plätze gibt es in diesem Jahr. Schülerinnen der
Klassenstufe 5 bis 10 besuchen so viele Institutionen wie noch nie:
Unternehmen, Labors und Werkstätten — und den Deutschen
Bundestag.
Die Bundestagsfraktionen haben zusammen mehr als einhundert
Mädchen zu Gast. Sie begleiten Abgeordnete bei der Arbeit und
diskutieren mit ihnen über Frauenpolitik und Zukunftschancen.
Und 16 Schülerinnen sind zu Besuch in der
Bundestagsverwaltung, um dort vermeintlich
„männliche” Berufe zu entdecken.
Auch die Spitzenränge in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik
sollten nicht länger „Männervereine” sein,
meint Katrin Göring-Eckardt in einer Frauenrunde am Girls' Day
im Bundestag. Die jüngste der vier
Bundestagsvizepräsidentinnen legt den Mädchen ans Herz,
mehr Selbstbewusstsein zu haben und vor dem Chefsessel nicht
zurückzuschrecken. Auch in der Politik gäbe es immer noch
zu wenige Frauen. „Wir müssen mehr werden”, sagt
Göring-Eckardt.
Wunschberuf Kamerafrau
Nach dem Gespräch nehmen die
Mädchen die Technik des Parlaments ins Visier. Etwa die
Regiekabine im Plenarsaal. Hier wird der Ton abgemischt. Neugierig
schauen sie sich um. In ihren Jahrgängen sind die alten
Rollenbilder schwächer geworden. Viele geben an, Biologie,
Chemie und Informatik zu mögen. Die Älteren haben klare
Vorstellungen von ihrer Zukunft. „Erst mal Karriere
machen”, sagt Carina, eine leitende Position einnehmen. Sie
will den Ton angeben, auch gegenüber männlichen Kollegen.
PC-Kenntnisse? Selbstredend.
Die Mädchen werden durch den Gas-Wasser-Sanitärbereich
geführt. Inzwischen ist es Mittag und die Sonne brennt. Einige
versuchen sich als Klempnerinnen und spritzen vor dem
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus mit dem Wasserschlauch herum. Den
größten Anklang in der Liste potenzieller Berufe finden
Kamera und Regie in den Fernsehstudios des Parlaments.
„Kamerafrau” wird spontan zum Wunschberuf von mehr als
einem Drittel der Gruppe. Die Ausbildungsmöglichkeiten
für technische Berufe erklärt anschließend eine
Mitarbeiterin der IT-Abteilung des Bundestages.
Die Mädchen schreiben mit, auch Carina hört konzentriert
zu, obwohl ihr Berufswunsch schon feststeht. Heute hat sie ihre
mögliche künftige Arbeitsstätte kennengelernt
— und einige weibliche Vorbilder in Politik und Verwaltung.
Am Ende des Tages sind alle ein bisschen geschafft, aber
inspiriert. Eine neue Generation junger Frauen, die zielstrebig
ist, karriereorientiert und selbstbewusst.
Ausbildung im Bundestag
www.bundestag.de/interakt/jobskarriere
Text: Lydia Harder
Fotos: DBT/Anke Jacob
Erschienen am 18. Juni 2007