Für Ralf Seibicke ist das Fass übergelaufen. Äußerlich ruhig, aber im Innern sichtlich erregt, ist der Präsident des Landesrechnungshofs Sachsen-Anhalt (LRH), als er in der vergangenen Woche in Magdeburg den mehr als 50-seitigen Prüfbericht zum Verkauf des Sendekomplexes des ehemaligen DDR-Rundfunks in der Berliner Nalepastrasse vorträgt. Sein Urteil ist vernichtend: "Im höchsten Maße unprofessionell, kritikwürdig, unpräzise, leichtfertig" sind Formulierungen, die im Prüfbericht immer wieder die Arbeitsweise des Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt (LIMSA) charakterisieren. Was war geschehen? Der denkmalgeschützte Funkhauskomplex am Ufer der Spree in Berlin-Köpenick, dessen Verkehrswert auf rund 21 Millionen Euro geschätzt wird, wurde im November 2005 im Auftrag aller neuen Länder von der LIMSA für einen Spottpreis von 350.000 Euro an einen Baumaschinenvermieter in Jessen (Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt) regelrecht verhökert. Für das 14 Hektar große Gelände, in dessen Gebäuden jetzt das Filmorchester Babelsberg zusammen mit weiteren 130 kleinen Firmen arbeitet, gab es jedoch auch andere Interessenten. Für den Neubesitzer öffneten sich dadurch Tür und Tor zu spekulativem Handeln: Nur acht Monate später versteigerte er am 16. Juli lediglich einen Teil des Grundstücks für sage und schreibe 4,75 Millionen Euro. Er musste jedoch drei Tage später aufgrund des nicht nachgewiesenen Kaufpreises durch den Höchstbieter die Immobilie an den nächst Bietenden weiter geben. Immerhin, auch der legte als Besitzer einer internationalen Investorengruppe mit Sitz in Rotterdam noch 3,9 Millionen Euro auf den Tisch. Eine Goldgrube, ein toller Deal der Geldvermehrung für den Jessener Bauunternehmer. Für die hoch qualifizierten und mit Kaufverträgen erfahrenen Mitarbeitern und Juristen der LIMSA sei das Verwaltungshandeln nach Auffassung des LRH "mit normalem Geschäftsgebaren nicht erklärlich und stellt sich im Ergebnis in höchstem Maße unprofessionell dar". Bei der Vorbereitung und beim Abschluss des Kaufvertrages wurde in vielen Punkten "nicht sorgfältig, unpräzise und nachlässig gehandelt", heißt es im Prüfbericht. Im Zusammenhang mit der besonderen Bedeutung des Grundstücks "habe die LIMSA jegliche Sensibilität vermissen lassen". Schaden sei dabei nicht nur für Sachsen-Anhalt entstanden. Auch für die anderen fünf neuen Bundesländer und Berlin sei der Verkauf nachteilig gewesen, da sie nach dem Einigungsvertrag gemeinsame Eigentümer aller Grundstücke des Rundfunks der ehemaligen DDR geworden waren. Immerhin soll es 16 Kaufinte- ressenten für das Gelände gegeben haben, die bereit waren zwischen einem einzigen und fünf Millionen Euro auf den Verhandlungstisch zu legen. "Bei der Vielzahl der vorliegenden Angebote mit günstigeren Konditionen, auch unter Berücksichtigung der Altlasten - besonders durch die einst vom ostdeutschen Mineralölhandel MINOL betriebene Wassertankstelle an der Spree - ist es für den LRH unverständlich und nicht nachvollziehbar, dass LIMSA zu einem Kaufpreis von lediglich 350.000 Euro verkauft hat", heißt es im Prüfbericht. Im Auftrag der neuen Länder und Berlin verwaltete und vermarktete die LIMSA mit einem Berliner Partner das Objekt, nachdem die Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt (TLG) im Jahre 2004 in Insolvenz gegangen war. Der LRH rügt, dass im Kaufvertrag keine Mehrerlösklausel vereinbart wurde, um Spekulationsgeschäften vorzubeugen. "Die LIMSA hat auch in diesem Punkt nachlässig und unfachmännisch gehandelt und einen für die Neuen Länder und Berlin ungünstigen Vertrag abgeschlossen", stellte der Präsident fest. Kritisch sieht der LRH auch, "dass das Vorgehen der LIMSA hinsichtlich der Nachprüfung der Bonität des Käufers in gravierender Weise unordentlich, leichtfertig und fehlerhaft war". Nach Meinung Seibickes seien aber keine Hinweise auf bewusst fehlerhaftes Verhalten seitens der LIMSA festgestellt worden. "Wir haben keine Anhaltspunkte gefunden, dass vorsätzlich gehandelt wurde", so der Präsident des Rechnungshofs. Im Blick der Prüfer steht aber auch das Verhalten des Finanzministeriums in Sachsen-Anhalt. Es sei in den 3.000 Seiten Akten, die der LRH auswertete, nicht erkennbar gewesen, wie das damals vom FDP-Politiker Karl-Heinz Paque geführte Finanzministerium seine Dienstaufsicht wahrgenommen hat. Auch der Landtag wurde nicht einbezogen. Als vor Monaten das ganze Ausmaß dieses Deals ans Tageslicht kam, wurde LIMSA-Chef Hans-Erich Gerst fristlos von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) entlassen. Dieser erhob gleichzeitig Anzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs. Organisatorische und gegebenenfalls personelle Konsequenzen seien bei der LIMSA unverzichtbar, hatte der LRH festgestellt. "Wir werden jetzt alle Punkte des Prüfberichts intensiv auswerten", schlussfolgerte der Minister. Inzwischen sei die vom Rechnungshof scharf kritisierte Fachaufsicht für die LIMSA neu geregelt. Nach Meinung des LRH sei aber auch eine politische Verantwortung in Betracht zu ziehen: Selbst die Runde der Staatssekretäre aller ostdeutschen Länder habe den umstrittenen Verkauf nicht verhindert. "Kein Land hat seine Vollmacht für den Verkauf zurückgezogen", beklagte Seibicke. Daran kann auch die heutige heftige Kritik des Berliner Senats am Kaufvertrag nichts ändern.