Wie leistet man Friedensarbeit im quasi geteilten Jerusalem? Kann es einen ehrlichen Dialog der Israelis und Palästinenser geben? Ist Frieden möglich? Mit diesen und anderen Fragen hat sich die Tagung des Willy-Brandt-Zentrums "Jugend und der Nahost-Konflikt" beschäftigt, die am 11. September im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages stattgefunden hat. "Diese Art von Graswurzel-Arbeit, wie ihr sie leistet, beweist Mut, Engagement, Ausdauer und Geduld", so Steinmeier. "Das ist eine Arbeit, von der ich überzeugt sein muss - sonst könnte ich meine auch nicht machen -, dass sie sich irgendwann auszuzahlen beginnt." Die Worte des Ministers klingen fast ein wenig beschwörend, so, als wolle er die Zuhörer und sich selbst davon überzeugen, dass eine Lösung des Nahost-Konflikts doch irgendwie möglich sein müsse. Es sind nicht zuletzt Projekte wie das des Willy-Brandt-Zentrums, die solchen Hoffnungen neue Nahrung geben. Die Initiative zu der an der Grenze zwischen Ost- und West-Jerusalem gelegenen Begegnungsstätte, die sich dem geistigen Erbe ihres Namensgebers verpflichtet fühlt, ging von den Jusos unter ihrer damaligen Bundesvorsitzenden Andrea Nahles aus. Treffen zwischen jungen, politisch aktiven Israelis, Palästinensern und Deutschen möglich machen, dafür sorgen, dass sie - trotz fast täglicher Terroranschläge und den darauf folgenden Vergeltungsmaßnahmen - miteinander ins Gespräch kommen, das war das Ziel, von dem die Jugendorganisation der SPD Mitte der 90er-Jahre ihre Partnerorganisationen in Israel und den palästinensischen Gebieten zu überzeugen versuchte. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt: Nach der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin Anfang November 1995 durch einen jüdischen Fanatiker schien der Osloer Friedensprozess am Ende, die Aussichten auf Verständigung zwischen Palästinensern und Israelis waren so schlecht wie lange nicht. Die Jusos ließen sich davon nicht abschrecken. Nach monatelangen Verhandlungen mit der israelischen Arbeitspartei-Jugend sowie der palästinensischen Fatah-Jugend unterzeichneten am 9. April 1996 in Ramallah Vertreter aller drei Organisationen den Gründungsvertrag für das "Willy-Brandt-Zentrum für Begegnung und Verständigung". "Ein mutiger Schritt", wie der SPD-Abgeordnete und Juso-Bundesvorsitzende, Niels Annen, betont. Vier Jahre später konnte das WBZ sein erstes kleines Büro in Jerusalem eröffnen. Und das, obwohl im Dezember 2000 die zweite Intifada losbrach, ein bewaffneter Aufstand der Palästinenser, die sich von einem Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon auf dem Tempelberg in Jerusalem provoziert fühlten. Offiziell eröffnet wurde die Begegnungsstätte am 8. Oktober 2003, dem elften Todestag ihres Namensgebers und Nobelpreisträgers. Das WBZ liegt auf der "Grünen Linie", dem ehemaligen neutralen "Niemandsland" zwischen Ost- und West-Jerusalem. Eigentümer des Hauses ist der ehemalige stellvertretende Jerusalemer Bürgermeister Meron Benvenisti, Träger des WBZ der Berliner "Förderverein Willy-Brandt-Zentrum e.V.", der als Mitglied des Forums Ziviler Friedensdienst (forumZFD) Projektfördermittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit erhält. Die Beteiligten werten die Eröffnung als Riesenerfolg, ja als Erfüllung eines Traums. Denn die vielen Rückschläge im Friedensprozess haben dazu geführt, dass offizielle und direkte Kontakte zwischen der palästinensischen und der israelischen Seite immer schwieriger geworden sind. Seit der Eröffnung finden im WBZ Veranstaltungen, Tagungen und Workshops statt, in denen israelische, palästinensische und deutsche Jugendliche trotz der verhärteten Fronten im Heiligen Land den Dialog miteinander suchen. Zehn Mitarbeiter hat das WBZ heute, einige davon sind Mitglieder in einer der politischen Partnerorganisationen des WBZ, andere Experten auf dem Gebiet der zivilen Konfliktlösung oder ausgebildete Friedensfachkräfte. Eine von ihnen ist die 24-jährige Nimala Kharoufeh aus Bethlehem. Sichtlich aufgewühlt erzählt die Sozialarbeiterin von den Schikanen, unter denen sie und ihre Landsleute etwa beim Passieren der Checkpoints zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten zu leiden haben. "Lange habe ich mir nicht vorstellen können, mich mit Israelis an einen Tisch zu setzen", sagt sie in fließendem Englisch. "Doch dann bin ich ins Willy-Brandt-Zentrum gekommen. Dort ist es anders. Dort sprechen wir miteinander, dort haben wir Hoffnung." Dennoch kommt es natürlich auch im WBZ zu heftigen Gefühlsausbrüchen und scharfen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis. Das ist gewissermaßen Teil der Strategie: Konflikte sollen ja gerade thematisiert und nicht unterdrückt werden. Dass das ganz schön wehtun kann, weiß Maya Crabtree aus eigener Erfahrung. "Es ist hart, wenn einem von der anderen Seite Dinge vorgeworfen werden, gegen die man doch selbst in der eigenen Gesellschaft immer opponiert hat", erzählt die junge Israelin, die wie die gleichaltrige Nimala zum Team des Willy-Brandt-Hauses gehört. Den Deutschen kommt bei solchen Konflikten in ihrer Vermittlerrolle große Verantwortung zu, und hin und wieder erleben sie dabei auch Situationen, denen sie nicht gewachsen sind, wie Heike Kratt, Leiterin des Zentrums, freimütig bekennt. "Ganz am Anfang meiner Tätigkeit hier hatten wir ein Team-Treffen, zu dem einer unserer israelischen Mitarbeiter in Militär-uniform erschien", berichtet die Politologin und Friedensfachkraft, die seit Ende 2004 die Arbeit des Zentrums koordiniert. "Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte." Insgesamt aber, so Kratt, habe sie größte Hochachtung davor, wie sehr sich Israelis und Palästinenser um gegenseitige Verständigung und Dialog bemühten. "Wir Deutsche können ja jederzeit zurück in unsere sichere Heimat. Israelis und Palästinenser haben diese Möglichkeit nicht. Für die stellt sich die Situation ganz anders dar." Doch auch für die Friedensfachkräfte des WBZ gibt es am Ende ein dickes Lob - von der zuständigen Ministerin. "Ich habe hohen Respekt vor dieser Art von Allparteilichkeit", sagt Heidemarie Wieczorek-Zeul. Wie schon am Morgen auf der Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus kündigt sie an, die Zahl der derzeit 200 weltweit tätigen Friedensfachkräfte noch in ihrer Amtszeit auf 500 aufzustocken, was ihr den Applaus der Tagungsrunde einträgt. "Ich habe hohen Respekt vor dem, was Friedensfachkräfte leisten", so Wieczorek-Zeul weiter. Die schönsten Worte der Anerkennung für Initiatoren wie Mitarbeiter des WBZ findet aber der Außenminister, der noch einmal den alten SPD-Friedensvisionär als Paten nimmt. "Willy Brandt wäre sehr, sehr stolz auf euch", sagt er. Und eilt kurz darauf auch schon zu seinem nächsten Termin.