Auf diese Aufgaben hat sich die Bundeswehr in mehreren Schritten vorbereitet. In den 90er-Jahren, als sie in die ersten Blauhelmeinsätze geschickt wurden, waren die Anforderungen noch überschaubar: In Kambodscha und in Somalia waren deutsche Streitkräfte jeweils nur an einem Ort engagiert. Erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts nahm die Zahl der Einsätze immer mehr zu. Dies führte dazu, dass die Bundeswehr immer wieder umstrukturiert wurde, noch bevor sie die einige Jahre vorher beschlossene Struktur umsetzen konnte. Die neue Struktur, die bis 2010 hergestellt sein soll, unterteilt die Bundeswehr in Eingreifkräfte, Stabilisierungskräfte und Unterstützungskräfte, um damit die unterschiedlichen Aufgaben abzudecken. Von heute aus betrachtet könnte man zu dem Schluss kommen, dass in den 90er-Jahren nicht konsequent genug umgebaut wurde. Allerdings war nicht absehbar, wie stark und wie dauerhaft die Bundeswehr in Auslandseinsätze gebunden würde. Die im Lichte des jeweils Absehbaren getroffenen Entscheidungen waren durchaus vertretbar. Aufgrund dieser Erfahrungen sprechen die Bundeswehrplaner jetzt aber nicht mehr von Reform - das wäre ein irgendwann abgeschlossener Prozess -, sondern von Transformation als einer ständigen Aufgabe der Anpassung an die Gegebenheiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor wenigen Tagen angekündigt, dass die Struktur der Bundeswehr nochmals überprüft werden muss. Ihre Stoßrichtung ist eine doppelte: Zum einen möchte sie jenen in der Bundeswehr, die diese Transformation aktiv befördern, Rückendeckung geben. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren wurden Aufgaben, die für Heer, Luftwaffe und Marine anfallen, in der Bundeswehr teilstreitkraftübergreifend organisiert, zum Beispiel Logistik-Aufgaben. Dafür wurde eine neue Organisationseinheit, die Streitkräftebasis, gegründet, der Soldaten aus allen Teilstreitkräften angehören. Heer, Luftwaffe und Marine haben damit bestimmte Aufgaben verloren. Dagegen gibt es immer noch anhaltenden Widerstand. Zum anderen möchte die Kanzlerin jene Kräfte stärken, die auch jetzt den Prozess der Transformation weiter betreiben. Bestimmte Bereiche in der Bundeswehr werden durch die Einsätze besonders stark beansprucht werden, andere weniger. Auch hier nur ein Beispiel: Der Sanitätsdienst der Bundeswehr ist an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gestoßen. Die Bundeswehr will auch im Einsatz die Sanitätsversorgung auf dem Niveau eines deutschen Kreiskrankenhauses gewährleisten. Das ist sehr personal- und materialintensiv. Zurzeit ist der Sanitätsdienst mit den Einsätzen völlig ausgelastet. Darunter leidet bereits die sanitätsdienstliche Versorgung der Soldaten im Inland. Es wird also darum gehen, bestimmte Fähigkeiten in der Struktur der Bundeswehr anders abzubilden, als dies bisher der Fall war. Die Transformation hat auch Auswirkungen auf die Ausrüstung der Bundeswehr. Die Bundeswehr musste von einer Armee, die im eigenen Land einen Großangriff des Warschauer Paktes abwehren sollte, zu einer Armee, die weltweit eingesetzt werden kann, umge-rüstet werden. Das brauchte Zeit und Geld - beides war und ist knapp. Die Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren Aufgaben im gesamten Spektrum militärischer Einsatzoptionen wahrgenommen: Von der Teilnahme am Kosovo-Krieg bis zur humanitären Hilfe bei Katastrophen. Insofern muss auch die Ausrüstung eine gewisse Breite aufweisen. Die Einsätze, in denen die Bundeswehr steht, sind alle gefährlich. Dies rückt immer erst dann ins Bewusstsein, wenn die latent vorhandenen Risiken aufbrechen. Das war vor zweieinhalb Jahren im Kosovo so, als die Bundeswehr plötzlich gewaltbereiten Demonstranten gegenüberstand und für diese Situation nicht ausgebildet und ausgerüstet war. Das war im Frühsommer so, als im deutschen Einsatzgebiet im Norden Afghanistans plötzlich Anschläge und Attack-en zu vermelden waren. Auswirkungen auf die Truppe Im Kosovo fehlten der Bundeswehr Schutzschilde und Tränengas. Das wurde schnell beschafft. Im Norden Afghanistans stellte die militärische Führung Defizite vor allem an gepanzerten Fahrzeugen und Kampfhubschraubern fest. Die gepanzerten Fahrzeuge befinden sich auf dem Weg nach Afghanistan, sie wurden zum Teil aus Bosnien-Herzegowina abgezogen, wo sie nicht mehr benötigt werden. Die Kampfhubschrauber sind dagegen ein schwierigeres Problem: Hier hatten die Verbündeten entsprechende Geräte zur Verfügung gestellt, diese aber wegen aus ihrer Sicht dringlicheren Verpflichtungen anderswo wieder abgezogen. Der Kampfhubschrauber "Tiger", den die Bundeswehr bekommt, wird gerade erst ausgeliefert. Er ist damit noch nicht einsatzbereit. Die Bundeswehr muss also immer einsatzbedingt festlegen, welche Systeme sie in welche Region gibt. Sie ist dennoch an dem Punkt angelangt, wo die Einsätze gerade noch verantwortbar erscheinen. Ein Teil des Problems könnte durch eine Erhöhung des Wehretats gelöst werden. Aber: Schnell bereit gestellte Milliarden können nicht ebenso schnell Abhilfe schaffen. Die Industrie hat ihre Kapazitäten so weit heruntergefahren, dass sie nur die erwarteten Mittel aus dem Wehretat verplanen kann. Der "Tiger" ist das beste Beispiel: Selbst mit noch so viel Geld ließe sich der Zulauf dieses Hubschraubers kurzfristig nicht beschleunigen. Es gilt, dass die Einsatzverbände gut ausgerüstet werden müssen. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Truppe, die in Deutschland für solche Einsätze ausgebildet werden muss. Hier herrscht schon Mangel an einsatzbereitem und modernem Gerät, an dem die Truppe für den Einsatz ausgebildet sein sollte. Nun hat Bundeskanzlerin Merkel angedeutet, dass bei einer entsprechenden Haushaltsentwicklung auch der Wehretat mit mehr Mitteln bedacht werden müsse. Die seit Jahren von allen beklagte Unterfinanzierung des Wehretats könnte damit reduziert werden. Der Wehretat für das Jahr 2007 wird nach dem Entwurf, den die Regierung dem Parlament vorgelegt hat, bereits um 500 Millionen Euro angehoben. Diese Erhöhung dient aber nur dazu, die Mehrwertsteuererhöhung und die gestiegenen Energiepreise abzufangen. Eine Anhebung, die die Lage der Bundeswehr substantiell verbessert, müsste auch mit einem gewissen Vorlauf erfolgen, damit sich die Industrie entsprechend vorbereiten kann. Vor allem müsste eine solche Ankündigung auch verlässlich sein.