Das Parlament hat sich für die Beratungen über den Nahost-Einsatz der Bundeswehr einen engen Zeitrahmen gesteckt. In einer von Bundestagspräsident Norbert Lammert einberufenen Sondersitzung wird das Plenum bereits am Dienstag Morgen in Erster Lesung über den Antrag der Bundesregierung ( 16/2572) debattieren. Im Anschluss werden dann die Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Menschenrechte und der Haushaltsausschuss beraten. Bereits am Mittwoch Morgen wird dann das Plenum über den Einsatz abstimmen. Die Mehrheit gilt als gesichert. Nach der Unterrichtung durch die Bundeskanzlerin haben die Fraktionsspitzen der Union, der SPD und der Grünen ihre Zustimmung signalisiert, auch wenn mit vereinzelten Gegenstimmen gerechnet wird. Lediglich die Fraktionen der FDP und der Linken werden mehrheitlich ablehnen. Somit könnte der Nahost-Einsatz wie geplant Anfang Oktober beginnen.
Die circa 15.000 Soldaten umfassende UNIFIL (United Nations Interim Force in Lebanon) soll die Umsetzung der vom UN-Sicherheitsrat am 11. August verabschiedeten Resolution 1701 gewährleisten. Dies umfasst vor allem die Einhaltung der Waffenruhe zwischen der schiitischen Hisbollah-Miliz und Israel, die Übernahme der militärischen Kontrolle durch die libanesischen Armee im Südlibanon und den vollständigen Abzug israelischer Truppen. Die Soldaten der UNIFIL werden auf der Landseite südlich des Litani-Flusses bis zur libanesisch-israelischen Grenze stationiert. Auf Wunsch der libanesischen Regierung in Beirut können sie aber auch zur Sicherung aller Landesgrenzen eingesetzt werde. Nach dem Willen der Bundesregierung wird sich Deutschland mit maximal 2.400 Bundeswehrsoldaten an der UNIFIL-Mission beteiligen. Ihre Hauptaufgabe wird darin bestehen, den Seeraum vor der libanesischen Küste zu überwachen und Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden.
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) erklärte, die Bundeswehr werde voraussichtlich zwei Fregatten, einen Einsatzgruppenversorger, ein weiteres Versorgungsschiff und vier Schnellbote mit einer Besatzungsstärke von 1.500 Soldaten einsetzen. Über die konkrete Zusammensetzung und Aufgabenverteilung des multinaltionalen Marineverbandes unter deutscher Führung, an dem sich Seestreitkräfte aus Dänemark, Norwegen, Schweden und den Niederlanden beteiligen sollen, wird aber erst auf der so genannten "Truppenstellerkonferenz" am Mittwoch in New York entschieden. Das Operationsgebiet des Marineverbandes erstreckt sich 50 Seemeilen (rund 93 Kilometer) entlang der 130 Seemeilen (240 Kilometer) langen libanesischen Küste. Innerhalb dieses Gebietes hat die UNIFIL das Recht, jedes verdächtige Schiff - notfalls auch mit Waffengewalt - zu stoppen und gegen den Willen des jeweiligen Kapitäns zu durchsuchen und gefundene Waffen zu beschlagnahmen. Innerhalb der libanesischen Hoheitsgewässer werden zwar libanesische Verbindungsoffiziere an Bord der UNIFIL-Schiffe sein, aber ein Vetorecht der libanesischen Armee wird es bei der Durchsuchung von Schiffen nicht geben. Die libanesischen Offiziere haben nach Darstellung der Bundesregierung eine rein beratende Funktion.
In den Verhandlungen der vergangenen Wochen hatte Beirut ursprünglich gefordert, dass der Marineverband nur außerhalb einer Sperrzone von sechs bis sieben Seemeilen vor der Küste operieren dürfe. Neben dem Hauptkontingent für den Marineeinsatz soll die Bundeswehr weitere 100 Soldaten bereitstellen, um auf Wunsch die libanesischen Streitkräfte zu beraten oder bei der Ausbildung zu unterstützen. Die Luftwaffe soll sich zudem mit 100 Soldaten für den Luftransport beteiligen. 400 Soldaten sind für die logis-tischen Aufgaben in den Führungsstäben und als Verbindungspersonal zu den Vereinten Nationen und den anderen am UNIFIL-Einsatz beteiligten Nationen eingeplant. Rund 300 Soldaten sollen für die routinemäßigen Ablösungen in Reserve gehalten werden. Die deutsche Beteiligung an der UNIFIL ist zwar gemäß der UN-Resolution 1701 zunächst bis zum 31. August 2007 begrenzt, aber die Bundeswehr wird sich auf einen voraussichtlich mehrjährigen Einsatz einrichten müssen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Vertreter der Regierungskoalition haben offen erklärt, dass das Mandat verlängert werden soll, wenn der Konflikt nach Ablauf der Frist nicht gelöst sein sollte. Doch damit ist nach allgemeiner Einschätzung nicht zu rechnen, schließlich stehen Blauhelme der Vereinten Nationen bereits seit 1978 im Libanon. Beschränkte sich ihr Mandat ursprünglich weitgehend auf eine Beobachterrolle, um den damaligen Abzug israelischer Truppen aus dem Libanon zu überwachen und weitere Verletzungen der libanesisch-israelischen Grenze an den UN-Sicherheitsrat zu melden, so hat dieser die UNIFIL nun mit einem so genannten "robusten Mandat" ausgestattet. Dies erlaubt den Blauhelmen auch den Einsatz von Waffengewalt, um ihren Auftrag zu erfüllen.
Die Kosten des elfmonatigen Einsatzes werden von der Bundesregierung auf 193 Millionen Euro geschätzt. Im laufenden Jahr müssen rund 46 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt bereit gestellt werden, die ursprünglich nicht eingeplant waren. Bis zum vorläufigen Ende des Einsatzes werden die weiteren Ausgaben auf bis zu 147 Millionen Euro veranschlagt. In der vergangenen Woche wurde deshalb von Verteidigungsexperten aus der Regierungskoalition und der FDP sowie von Seiten des Bundeswehrverbandes eine Erhöhung des Wehretats für 2007 gefordert. Andernfalls müssten die Ausgaben für den Libanon-Einsatz aus einem anderen Haushaltstopf finanziert werden. Bundeskanzlerin Merkel hatte zuvor bereits ihre Bereitschaft zur Erhöhung des Verteidigungshaushaltes signalisiert.